Volker Wieland: "Das 2-Prozent-Inflationsziel ist angemessen" ("Börsen-Zeitung")

Volker Wieland hat sich gegen eine Anhebung der 2-Prozent-Marke als Inflationsziel ausgesprochen. Das 2-Prozent-Inflationsziel sei "angemessen", sagte er in einer Umfrage der "Börsen-Zeitung". Dies gelte "inbesondere für die EZB-Strategie", sagte er. Darüber hinaus befürwortet Wieland eine stärkere Ausrichtung der Geldpolitik an Regeln.

Eine ausführliche Fassung der Einschätzungen von Volker Wieland in der Umfrage der "Börsen-Zeitung" finden Sie hier:

2-Prozent-Inflationsziel:
Das 2-Prozent-Inflationsziel ist angemessen. Insbesondere die EZB Strategie mit der selbst gesetzten quantitativen Definition für den Gesamtindex des Harmonisierten Verbraucherpreisindex von unter, aber nahe 2 Prozent in der mittleren Frist. Das Mandat der EZB ist Preisstabilität, also Null-Inflation. Die Quantifizierung der EZB berücksichtigt Messfehler bei der Messung der Verbraucherpreise. Der temporär feste Warenkorb überzeichnet beispielsweise Inflation, da Verbraucher auf günstigere Waren ausweichen können.  Außerdem bietet die durchschnittlich positive Inflationsrate ein Schutzpolster gegen Deflations- und Niedrigzinsphasen.

Erweiterung des Mandats der Preisstabilität auf Finanzstabilität:
Nein. Die explizite Ausrichtung auf die mittlere Frist, die nicht exakt festgelegt ist, gibt der EZB bereits viel Spielraum. Sie muss die Inflation gerade nicht Monat für Monat, Quartal für Quartal auf Ziel halten, selbst wenn sie es könnte. Sie kann die Entwicklung von Güter- und Dienstleistungspreisen berücksichtigen, die nicht oder nur in geringem Maße im Verbraucherpreisindex enthalten sind. Dies trifft auf viele im Euro-Raum produzierte Güter zu.  Sie werden im Bruttoinlandsproduktsdeflator (BIP-Deflator) gemessen. Außerdem kann sie vorausschauend die Wirkungen von Wirtschaftswachstum, Immobilien- und Vermögenspreisen, Wechselkursen oder Verteilung auf die Inflation berücksichtigen.  Schließlich sollten Notenbanken Nebenwirkungen der Politik auf die Finanzstabilität beachten. Einerseits gehört Finanzstabilität zu ihren Aufgaben insoweit sie für Bankenaufsicht, Regulierung, mikro- und makroprudenzielle Politik ein Mandat haben. Es gibt eine Wechselwirkung zwischen prudenziellen und geldpolitischen Instrumenten, die sie beachten müssen.

Regelorientierung in der Geldpolitik:
Ich bin für einen stärkeren Fokus auf Regeln. In der Regulierung und Bankenaufsicht gibt es die ja auch. In den Vereinigten Staaten gibt es eine entsprechende Gesetzesinitiative, die bereits durch das Repräsentantenhaus ist. Demnach müsste die Fed eine geldpolitische Regel für den Notenbankzins veröffentlichen, die sie für effektiv hält. Zudem müsste sie in regelmäßigen Abständen erklären, wenn sie von dieser Regel abweicht, warum sie das tut.  Ebenso müsste sie die Abweichungen von einer Regel, die aus der Wissenschaft stammt und im Gesetz genannt wird, der sogenannten Taylor-Regel, erklären.  Das schafft mehr Transparenz und Vorhersagbarkeit. Die Notenbank wäre aber nicht gezwungen, eine dieser Regeln immer zu befolgen. Manche Notenbanker wiederholen dies wie ein Mantra - es stimmt aber nicht. Die Regelorientierung stärkt die Unabhängigkeit. Die historische Erfahrung mit Notenbanken, die dem Finanzministerium unterstellt sind, sind nicht gut. Dann wird die Geldpolitik verwendet, um den Staatshaushalt zu sanieren. Für die Wirtschaftsentwicklung ist das immer schädlich und manchmal katastrophal.

Unkonventionelle Maßnahmen:
Anleihekäufe und Negativzinsen sollten auf Phasen mit schwachem Wachstum und niedrigen oder negativen Inflationsraten beschränkt bleiben. Zinsregeln bieten dafür gute Orientierungshilfen. Die Wirkung der Forward Guidance wird manchmal überschätzt. Grundsätzlich ist es aber sinnvoll, wenn die Notenbank möglichst transparent ist, beispielsweise in Bezug auf ihre eigenen Prognosen. Das muss nicht auf Krisenzeiten beschränkt sein. So veröffentlicht die Notenbank von Norwegen regelmäßig ihre eigene Leitzinsprognose zusammen mit der Inflations- und Wachstumsprognose. Das hat jedenfalls keinen Schaden angerichtet.

Notenbank als Kreditgeber für Staaten:
Staaten sind in der Lage ihren Haushalt selbst zu organisieren und die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen mit einer entsprechenden Steuer- und Ausgabenpolitik und dem angemessenen Verschuldung sicher zu stellen.  Wir haben viel bessere Erfahrungen gemacht, wenn die Notenbank frei ist, das Mandat der Preisstabilität umzusetzen.  Im Euro-Raum kommt hinzu, dass die Mitgliedstaaten keine unbegrenzte Risikoteilung ausgemacht haben.  Sinnvoll ist der Einsatz des ESM mit Krediten gegen Auflagen. Allerdings muss er um einen expliziten Rahmen für Umschuldung und Restrukturierung von Staatsschulden im Krisenfall erweitert werden. Sonst laufen wir wieder Gefahr, dass, die Risiken von privaten Investoren auf die Steuerzahler der Währungsunion verlagert werden.

Börsen-Zeitung: "Notenbanker stehen vor riesigen Herausforderungen" (Paid Content)