Volker Wieland rät EZB von weiterer Lockerung der Geldpolitik ab

Im März 2015 hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Anleihekaufprogramm gestartet. Nun wird erwartet, dass die EZB die quantitative Lockerung abermals ausweitet. Volker Wieland, Professor für monetäre Ökonomie am Institute for Monetary and Financial Stability (IMFS) der Goethe Universität und Mitglied im Sachverständigenrat, gibt vor der Sitzung des EZB-Rats eine Einschätzung.

Keine Ausweitung der geldpolitischen Lockerung notwendig

„Anleihekäufe sind ein übliches Instrument der Geldpolitik, insbesondere dann wenn der Leitzins nahe Null liegt. Aber es geht darum, ob dies derzeit überhaupt notwendig ist, und die EZB die damit verbundenen Risiken eingehen sollte. Meines Erachtens war es nicht notwendig, ein solch großes Programm aufzulegen, noch ist es derzeit nötig, etwas draufzusatteln.

Bis März  2017 könnten sich die im Januar 2015 angekündigten Aufkäufe mit der im Dezember beschlossenen Verlängerung auf bis zu 1,5 Billionen Euro belaufen. Das wären mehr als 15 % des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone im Jahr 2014.  Die EZB-Bilanz insgesamt könnte auf nahe 4 Billionen (4000 Milliarden) Euro steigen.  Das wäre fast eine Verdoppelung seit Herbst 2014.

Das Programm hat bereits eine starke Wirkung auf den Finanzmärkten entfaltet. Nicht nur Geldmarktzinsen, sondern auch mittel- und längerfristige Zinsen auf deutsche Staatsanleihen sind deutlich negativ.  Anleger haben ihre Portfolien umgeschichtet. Deshalb sind die Preise für Unternehmensanleihen, Aktien und Immobilien ebenfalls gestiegen.  Umschichtungen in ausländische Anlagen haben zu einer Abwertung des Euro geführt.  Niedrige Zinsen setzen Anreize zu konsumieren statt zu sparen. Das beobachten wir in Deutschland durchaus verstärkt.

Die EZB ist in Vorlage gegangen und hat dabei zu viel unternommen. Denn das Programm ist mit großen Risiken verbunden: Die Volatilität an den Finanzmärkten steigt, es kann zu Überreaktionen kommen. Die Staaten nutzen die Zinsersparnis nicht, um die vielerorts hohen Schuldenstände abzubauen. Auch die Reformbemühungen sind ins Stocken geraten, wie die gegenwärtige Entwicklung in Portugal und die schwierige Regierungsbildung in Spanien zeigen. Angesichts all dieser Risiken sollte die EZB ihr Anleihekaufprogramm nicht ausweiten, sondern es besser vorzeitig beenden. Eine gefährliche Deflation ist nicht zu befürchten.   Die Kerninflation schwankt nur leicht, und liegt deutlich im positiven Bereich.  Der Gesamtindex ist leicht gefallen, weil die Ölpreise aufgrund des Überangebots mehrmals stark gefallen sind.  In den Vereinigten Staaten ist die Inflation bereits deutlich und zügig am Steigen.“

Bilanzausweitung birgt Gefahren

„In der Bilanzausweitung der EZB schlägt sich die quantitative Lockerung nieder, sie ist das Ergebnis des Anleihekaufprogramms. Die Bilanzausweitung trägt zwar auch zum Wirtschaftswachstum bei. Die Risiken, die sich daraus ergeben, sind jedoch genau die Gefahren, die eine Fortführung der quantitativen Lockerung mit sich bringt, wie nämlich Risiken für die Finanzstabilität.  Die aufgepumpten Aktienpreise reagieren volatil auf Negativnachrichten wie zuletzt aus Asien. Die Banken engagieren sich immer mehr in langfristigen Niedrigzinskrediten. Das geht im Moment gut, da sie auf kurzfristige Einlagen fast keine oder gar negative Zinsen zahlen. Wenn Wachstum und Inflation wie prognostiziert eintreten, müssen irgendwann auch die Zinsen wieder steigen. Dann werden sich Banken schwer tun, die höheren kurzfristigen Einlagezinsen aus dem Kreditgeschäft zu verdienen.“

Quantitative Easing hat weitere Auswirkungen

„Infolge der Aufkäufe steigen die Anleihepreise. Dementsprechend erzielt die EZB Gewinne auf Anleihen im Bestand. Die Gewinnerzielung ist jedoch nicht das Hauptziel der Notenbank, auch wenn sich die Finanzminister über die Überweisung am Ende des Geschäftsjahres natürlich freuen. Die Notenbank muss zudem ausreichend Vorsorge gegen Verluste treffen. So hat die EZB in der Vergangenheit griechische Staatsanleihen gekauft, um sich dann im Frühjahr 2015 mit einem Zahlungsausfall konfrontiert zu sehen. Es ist nicht ganz einzusehen, dass dann plötzlich der europäische Steuerzahler – wie in dem betreffenden Fall – einspringen muss, um Verluste auf der EZB-Bilanz zu vermeiden.“

Preisstabilität bleibt erreichbares Ziel

„Das Ziel einer Inflationsrate von nahe, aber unter zwei Prozent ist mittelfristig angelegt. Es muss nicht unbedingt im nächsten Jahr erreicht werden. Schaut man sich den umgekehrten Fall an, so hat die EZB 2011 sehr bedächtig mit nur zwei kleinen Zinsschritten auf den Anstieg der Inflationsrate auf knapp drei Prozent reagiert.  Damals brach sie nicht in Aktivismus aus. Auch damals lag der Anstieg über Ziel nur an der Entwicklung der Energiepreise. Die EZB sollte jetzt ähnlich vorsichtig vorgehen.“

QE und das ausstehende OMT-Urteil

„Das QE-Programm ist als monetäre Maßnahme zu betrachten. Mit den Outright Monetary Transactions (OMT), die bisher nur angekündigt aber nicht umgesetzt wurden, sollen die Anleihen einzelner Krisenländer selektiv gekauft werden. Damit sollen die Finanzierungskosten von Regierungen in einer Schuldenkrise reduziert werden. Die EZB wäre bereit, Verluste einzugehen. Ich halte die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu diesem Thema für fehlgeleitet. Er hat der EZB einen Freibrief erteilt, Maßnahmen umzusetzen, die noch weiter als die OMT-Ankündigung in den Bereich der Wirtschafts-. und Fiskalpolitik strahlen. Und zwar mit dem Argument, der monetäre Transmissionsmechanismus müsse in dem jeweiligen Land lokal repariert werden. Diese Politikbereiche sind jedoch für die Mitgliedstaaten reserviert, die schließlich selbst für ihre Politik geradestehen müssen. Ich fände es sinnvoll, wenn das Bundesverfassungsgericht zumindest in seiner Begründung vom EuGH abweicht, um sich die Möglichkeit zukünftiger gerichtlicher Kontrolle zu erhalten.“