Gastbeitrag von Volker Wieland zu Griechenland ("n-tv")

Seit Amtsantritt dreht Regierungschef Tsipras begonnene Reformen zurück. Kein Wunder, dass es dem Land zunehmend schlechter geht. Doch dieser Kurs ist zum Scheitern verurteilt. Und Athens Kurs zeigt noch etwas anderes.

Das griechische Schuldendrama wirft in dieser Woche immer neue Fragen auf. Kommt das Referendum oder lässt es sich gar nicht in der Frist durchführen? Macht Alexis Tsipras unter dem wachsenden Druck aus Brüssel noch einen Rückzieher? Oder schlägt er eine ganz neue Volte?

Seit Tsipras‘ Machtübernahme im Januar verläuft die Entwicklung in Griechenland kontraproduktiv. Statt den Reformprozess fortzusetzen, der 2014 zu einer ersten leichten Erholung geführt hatte, machte sich die Syriza-Regierung sofort daran, Reformmaßnahmen voriger Regierungen zurückzudrehen.  Kein Wunder, dass sich die wirtschaftliche Lage seither wieder massiv verschlechtert.  Die Stabilität der Währungsunion und der wirtschaftliche Erfolg der Krisenländer hängt davon ab, dass die Staatshaushalte konsolidiert und marktorientierte Reformen umgesetzt werden. Nur so können die Länder aus den Schulden herauswachsen. Die Geldpolitik kann zwar die Nachfrage stützen, aber für ein nachhaltiges Wachstum sind strukturelle Anpassungen notwendig. Irland und Spanien haben das gezeigt und durchaus auch Portugal.

Noch immer ist zu befürchten, dass die griechische Regierung den gewünschten Schuldenerlass nur dazu nutzen will, um an einem sozialistischen Wirtschaftssystem zu basteln. Doch dieser Weg ist zum Scheitern verurteilt. Das Ausscheiden aus der EU und die Einführung einer eigenen Währung könnte dieses Scheitern nicht verhindern.

Mit den Notfallhilfen hat die Europäische Zentralbank (EZB) den andauernden Konfliktkurs der griechischen Regierung und die Kapitalflucht der besorgten Bürger überhaupt erst ermöglicht. Über das Zahlungssystem TARGET entstehen dadurch immer größere Risiken für den europäischen Steuerzahler für den Fall eines Austritts Griechenlands aus der EU. ELA-Notkredite sind für solvente Banken mit temporären Liquiditätsproblemen gedacht. Nach den jüngsten Ankündigungen der griechischen Regierung trifft dies wohl kaum mehr auf die griechischen Banken zu. Nun hat die EZB mit der Begrenzung der Nothilfe die griechische Regierung zu Kapitalkontrollen und Bankschließungen gezwungen. Koordiniert mit den europäischen Regierungschefs sollte die EZB die griechische Regierung nun so schnell wie möglich vor eine Entscheidung stellen.

Wenn die griechische Regierung die Volksabstimmung wie geplant durchführt und anschließend einlenkt, kann der dringend notwendige Reformprozess endlich in Gang kommen. Denn wenn sich die Griechen beim Referendum für Reformmaßnahmen aussprächen, könnten auch die Euro-Länder nicht einfach darüber hinwegsehen. Die abermaligen Vermittlungsanläufe von EU-Kommissionschef Juncker zeigen, dass die Euro-Länder im Grunde noch immer gesprächsbereit sind.

Sollte allerdings die griechische Regierung kein Programm akzeptieren – oder das Referendum dagegen entscheiden –, kann die EZB die Nothilfekredite an das griechische Bankensystem nicht weiter aufrechterhalten.

Es gibt durchaus pragmatische, wirtschaftsorientierte politische Kräfte im Land, die nicht durch das System korrumpiert sind. Dort sollte sich Tsipras Partner suchen oder den Weg für Neuwahlen freimachen. Die gegenwärtige Situation ist kein Kollaps der Währungsunion. Das Beispiel Griechenland zeigt jedoch, dass die Mitgliedschaft in der Währungsunion von den souveränen Entscheidungen der Regierungen abhängt.

(Quelle: n-tv)