Volker Wieland empfiehlt, EU-Fiskalregeln zu stärken

Nach der Covid-19-Pandemie sollte die Schuldentragfähigkeit mit fiskalischen Maßnahmen gewahrt und das komplexe fiskalische Regelwerk neu ausgerichtet werden. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die Prof. Volker Wieland für das Europäische Parlament durchgeführt hat. Er kommt zu dem Schluss, dass es unerlässlich ist, nach der Pandemie fiskalischen Spielraum zu schaffen und die Widerstandsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten gegen kommende Krisen zu stärken: „Die Notwendigkeit, die Widerstandsfähigkeit und fiskalische Handlungsfähigkeit für unvorhergesehene Ereignisse zu stärken, wird auch aktuell durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine deutlich, der massive Veränderungen in der europäischen Sicherheitsarchitektur und Energiepolitik auslöst.“

In der Studie mit dem Titel "Overview of how major economies have responded to the Covid-19 pandemic" analysiert Wieland Umfang, Art und Auswirkungen fiskalischer Stützungsmaßnahmen wichtiger Volkswirtschaften mit besonderem Blick auf die Schuldentragfähigkeit. Zu diesem Zweck untersuchte er einerseits die Maßnahmen in einzelnen Ländern, wie direkte Zuschüsse, Geldtransfers, Steuerstundungen und Steuererleichterungen, Kreditmoratorien, öffentliche Kreditbürgschaften und Darlehen und Möglichkeiten zur Sicherung von Arbeitsplätzen (Kurzarbeit) sowie Stützungsmaßnahmen auf EU-Ebene und im Euroraum.

Laut Wieland war eine schnelle Reaktion auf den Ausbruch der Pandemie, wie das PEPP-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB), unerlässlich. „Insbesondere im Euroraum hat die schnelle Reaktion der Geldpolitik dazu beigetragen, die Finanzierungskosten der Banken und Regierungen zu sichern.“

Wichtig sei es jedoch, die Stützungsmaßnahmen auslaufen zu lassen, wenn sich die Wirtschaft erholt. Schließlich habe die EZB indirekt mit der fiskalischen Unterstützung durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und den verfügbaren Krediten über die Aufbau- und Resilienzfazilität der Europäischen Kommission konkurriert und diese ersetzt, schreibt Wieland. Stattdessen hätte die EZB den Umfang der Käufe an die Inanspruchnahme von ESM- und EU-Krediten durch die Regierungen binden können. „Als der Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte 2020 und 2021 einsetzte, hätte man den fiskalischen Stützungsmechanismen auf europäischer Ebene ein größeres Gewicht beimessen sollen als dem PEPP-Programm der EZB.“

Da die Zentralbanken ihre Inflationsprognosen für 2022 und die Folgejahre nach oben korrigiert haben und mittel- bis längerfristig mit höheren Zinsen zu rechnen ist, ist es seiner Ansicht nach notwendig, die hohen Schuldenquoten einzudämmen und zu konsolidieren, wenn sich die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten weiter von der Coronavirus-Krise erholen. In seiner Analyse zeigt Wieland, dass die EZB die Zinsen bei Bedarf anheben könnte, ohne die Staatsfinanzen in hoch verschuldeten Ländern wie Italien, Frankreich oder Spanien zu destabilisieren.

Um die Widerstandsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten gegen künftige Konjunktureinbrüche und Krisen zu stärken, muss das komplexe fiskalische Regelwerk neu ausgerichtet werden, schreibt Wieland. Er verweist auf einen Vorschlag des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR), die Zahl der Ausnahmen und den Ermessensspielraum zu verringern. Dieser Vorschlag beinhaltet einen Schuldenabbaufaktor, der bei hoher Verschuldung einsetzt, so dass die Staatsausgaben in guten Zeiten langsamer wachsen als das potenzielle BIP.