Warum die Schuldenbremse nicht abgeschafft werden sollte ("Rheinische Post")

Wird in Deutschland zu wenig investiert und ist die Schuldenbremse der Grund dafür? In einem Gastbeitrag in der "Rheinischen Post" erläutert Prof. Volker Wieland die Funktionen und Auswirkungen der Schuldenbremse.

Im Rahmen des Europäischen Fiskalpakts haben sich fast alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Fiskalregel einzuführen, vorzugsweise in der nationalen Verfassung. Die Schuldenbremse setzt den Fiskalpakt in Deutschland um. Abschaffen geht also gar nicht. Die Staatsschuldenkrise liegt noch nicht so weit zurück, dass wir schon wieder vergessen hätten, dass Fiskalregeln notwendig sind, um Überschuldung, Gefahr des Staatsbankrotts oder Staatsfinanzierung über die Notenpresse zu vermeiden.

Im Übrigen gibt es Fiskalregeln mit Verfassungsrang in Deutschland nicht erst seit Einführung der Schuldenbremse. Vorgesehen waren sie schon 1949 im Grundgesetz. Trotzdem erlebten wir über Jahrzehnte einen anhaltenden Trend zu höheren Schuldenquoten. Erst seit 2010 ist die Schuldenquote zurückgegangen und liegt immer noch knapp oberhalb der Maastrichter Schuldengrenze. Mit etwas Glück kann Deutschland in den nächsten Jahren einen Sicherheitsabstand gewinnen. Das wäre gut, um für mögliche fiskalische Krisen gewappnet zu sein.

Neuerdings wird gefordert, die Schuldenbremse zumindest aufzuweichen, da sie wichtige Investitionen verhindern würde. Das stimmt so nicht. Im Gegenteil: Die Regierung hat wiederholt viel Geld in die Hand genommen, um teure soziale Wohltaten zu beschließen. Trotzdem hat sie die Vorgaben der Schuldenbremse – maximal 0,35% strukturelles Defizit für den Bund und ausgeglichene Haushalte für die Länder – bisher nicht verletzt, sondern Spielräume ungenutzt gelassen.

Seit einigen Jahren sind auch die staatlichen Investitionen deutlich gestiegen, insbesondere im Bereich der Infrastruktur, wie im Tiefbau. Teils werden Mittel gar nicht abgerufen. Umständliche Antragsverfahren, langwierige Genehmigungsprozesse oder massive lokaler Widerstand halten sie zurück. Am Geld hapert es nicht. Ist ein Projekt genehmigt, scheitert eine schnelle Umsetzung oft an den Kapazitäten. Der Bausektor ist seit geraumer Zeit überlastet. Seit 2009 haben sich die Baugenehmigungen nahezu verdoppelt. Engpässe bei Facharbeitern sehen Bauunternehmen als ihr größtes Geschäftsrisiko.

Ohnehin ausgenommen von der Schuldenbremse sind übrigens die Kommunen – sie können Kredite für Investitionen aufnehmen.

Rheinische Post: "Sollte die Schuldenbremse aufgeweicht werden?" (€)