Das Institute for Monetary and Financial Stability (IMFS) und das House of Finance haben am 7. Februar 2013 Stefan Gerlach, Vizepräsident der irischen Zentralbank und früherer Geschäftsführender Direktor des IMFS, für seinen Beitrag für das IMFS geehrt. Die Würdigung erfolgte im Rahmen des Symposiums „Central Banking: Where are we headed?“, das im Casino der Goethe-Universität vor zahlreichen Interessierten aus der Finanz- und Zentralbankenwelt sowie den Medien stattfand.
Im ersten Teil des Symposiums diskutierten Sabine Lautenschläger, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Patrick Honohan, Präsident der irischen Zentralbank, und Benoît Cœuré, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), aktuelle Themen innerhalb des europäischen Zentralbankensystems. Schwerpunkt war die geplante Einrichtung einer gemeinsamen Bankenaufsicht der Euro-Zone bei der EZB.
Sabine Lautenschläger und Benoît Cœuré ermahnten dazu, bei der Umsetzung einer solchen Bankenaufsicht vor allem auf die strikte Abgrenzung von Bankenaufsicht und Geldpolitik zu achten. Sie gingen damit auf die Befürchtungen vieler Kritiker ein, es könne zu Interessenskonflikten zwischen beiden Feldern kommen. Sabine Lautenschläger führte aus, dass nach den bisherigen Plänen bei Entscheidungen in der Bankenaufsicht der EZB-Rat das letzte Wort haben solle und nicht die Aufsichtsbehörde allein. Dies würde jedoch die strikte Trennung von Bankenaufsicht und Geldpolitik erschweren. Sollten die Entscheidungen der Aufsichtsbehörde dagegen für den Rat bindend sein, könnte wiederum die Unabhängigkeit der EZB gefährdet sein.
Patrick Honohan stellte grundsätzlich in Frage, ob die Bankenaufsicht auf lange Sicht bei der EZB angesiedelt sein sollte. Benoît Cœuré sagte dazu, man habe sich vor allem deshalb für eine gemeinsame Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB entschieden, da die europäische Schuldenkrise eine schnelle Umsetzung erforderte.
Trotz dieser Vorbehalte bezeichneten die Zentralbanker die gemeinsame Bankenaufsicht als wichtigen Schritt, um die institutionellen Rahmenbedingungen der Euro-Zone als Antwort auf die Krise anzupassen und künftig zu verhindern, dass sich nationale Bankenkrisen über Landesgrenzen hinweg ausbreiten.
Sabine Lautenschläge hob als Vorteil der gemeinsamen Aufsicht hervor, dass dieser umfangreichere Informationen zur Verfügung stünden als nationalen Aufsichten und sich dadurch Risiken, die das Bankensystem bedrohen oder von ihm ausgehen, leichter und früher erkennen lassen. Benoît Cœuré sah darin auch einen Vorteil für die bessere Ausgestaltung der Geldpolitik.
Patrick Honohan bezeichnete es zudem als wichtig, die Verflechtung zwischen Staaten und Banken durch die gemeinsame Aufsicht zu lockern. Nach Aussage von Sabine Lautenschläger nähmen die nationalen Aufsichten inländische Banken aufgrund nationaler Interessen oftmals zu stark in Schutz.
Cœuré forderte abschließend, die gemeinsame Bankenaufsicht schnell umzusetzen, um im Anschluss auch die Ausgestaltung der weiteren Elemente einer europäischen Bankenunion, wie etwa den Bank Resolution Mechanism, in Angriff zu nehmen.
Nach einer Diskussionsrunde mit dem Publikum widmeten sich im zweiten Teil des Symposiums Athanasios Orphanides von der MIT Sloan School of Management, und Michael Burda von der School of Business and Economics der Humboldt-Universität zu Berlin, den Themen Währungspolitik, Finanzpolitik und Politik der Europäischen Währungsunion.
Orphanides verglich die unterschiedlichen Vorgehensweisen der europäischen Politik in früheren Krisen und in der heutigen Krise. Früher hätten die Regierungen gemeinsam Lösungen erarbeitet, die meist auch einen Fortschritt für das europäische Projekt bedeuteten. In der derzeitigen Krise gehe die politische Führung viele Probleme, auch wenn sie sie erkannt hat, nicht zeitnah an. Den Grund dafür sieht Orphanides in einer Krise der europäischen Führung. Die Regierungen bevorzugten es, Entscheidungen hinauszuzögern, die mit politischen Kosten einhergingen – insbesondere vor Wahlen. Da innerhalb der Euro-Zone immer in irgendeinem Land eine Wahl anstehe, bestehe die Gefahr einer dauerhaften Blockade. Nur ein unmittelbar bevorstehender Zusammenbruch könne Regierungen dazu bewegen, politische Kosten in Kauf zu nehmen. Er bedauerte in dem Zusammenhang, dass Maßnahmen der EZB in der derzeitigen Krise den Druck von der politischen Führung genommen haben, schnell die Lösung der Probleme anzugehen.
Zuletzt wagte Michael Burda einen Blick in die Zukunft Europas und stellte drei Szenarien vor, wie Europa in zehn Jahren aussehen könnte. Er gab zunächst einen optimistischen, dann einen pessimistischen und schließlich einen realistischen Ausblick. Als realistisch sah er es an, dass der Euro die Währung aller Euro-Länder bleibt, aber dass es auch zu weiteren Transferzahlungen innerhalb der EU kommt. Ferner vermutete Burda, dass Griechenlands Schulden teilweise erlassen werden, aber das Land seine Reformanstrengungen nicht länger fortsetzt. Abschließend mahnte er die Regierungen Europas, zum „No-Bailout“-Prinzip zurückzukehren und nicht länger für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten zu haften.
Als letzter Redner kam der Geehrte, Stefan Gerlach, selbst zu Wort. Er nutzte die Gelegenheit, um die Bedeutung der interdisziplinären Forschung des IMFS hervorzuheben. Das Schlusswort hatte Volker Wieland, der das Symposium als Geschäftsführender Direktor des IMFS beendete.