Der Vortrag von Bundesbankpräsident Dr. Joachim Nagel im Video
Wie in einer zunehmend digitalisierten Welt ein digitaler Euro die Ankerfunktion von Zentralbankgeld sichern kann und welche Chancen und Risiken dabei bestehen, erläuterte Bundesbankpräsident Dr. Joachim Nagel in einer Special Lecture des Center for Financial Studies (CFS) und des Institute for Monetary and Financial Stability (IMFS). In seinem Vortrag am 11. Juli auf dem Campus Westend hob Nagel vor allem die Möglichkeiten hervor, die ein digitalen Euro sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen eröffnen könnte. Im Alltag könnte der digitale Euro einfaches Bezahlen ermöglichen – „so wie wir es vom Bargeld her kennen, nur eben digital“ und im stationären Handel wie auch online einsetzbar sein. Aber auch bargeldlose Zahlungen zwischen Privatpersonen untereinander oder bei öffentlichen Stellen wären möglich.
Im Zahlungsverkehr innerhalb Europas könnte ein digitaler Euro Nagel zufolge „den Fortschritt unterstützen und die Souveränität Europas erhöhen“. Bisher existiere keine einheitliche, grenzüberschreitende Lösung für Zahlungen im eCommerce oder mit Karte für den Euroraum, die auf europäischer Infrastruktur aufbaue. Mit einem digitalen Euro könnten digitale Zahlungen unabhängig von nichteuropäischen Infrastrukturen im Zahlungsverkehr ausgeführt werden, sagte Nagel weiter. „So ließen sich Risiken und Abhängigkeiten im Zahlungsverkehr reduzieren. Das käme auch der Finanzstabilität zugute.“
Angesichts häufig angeführter Nachteile wie der Gefahr eines Bank Run oder einer strukturellen Disintermediation - wenn Bankkunden einen erheblichen Teil ihrer Bankeinlagen von ihrem Girokonto in digitales Zentralbankgeld umschichten -, mahnte Nagel zur Umsicht. „Falls es zu einer Einführung kommt, wird es also darum gehen, den digitalen Euro zunächst so zu konzipieren, dass mögliche Risiken beherrschbar bleiben.“ Aus Nagels Sicht überwiegen jedoch die positiven Aspekte: „In meinem Augen sollten wir die Chancen nutzen, die sich mit digitalen Zentralbankgeld bieten. Es hat große Potenziale.“
In der fortschreitenden Digitalisierung ist die Einführung eines digitalen Euro Nagel zufolge auch aus geld- und währungspolitischer Sicht eine wichtige Maßnahme. „Digitales Zentralbankgeld könnte so ein wichtiger Baustein dafür sein, dass staatliches Geld auch in einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft weiter als Anker für alle auf Euro lautenden Geldformen fungiert.“
Die Diskussion über einen digitalen Euro ist auch als Antwort der Währungshüter auf die Entwicklung sogenannter Krypowährungen wie Bitcoin und Ether zu verstehen. Denn im Gegensatz zu Kryptowährungen könnte bei einem digitalen Euro auch in der digitalen Welt privates Geschäftsbankengeld in Zentralbankgeld getauscht werden.
Die Zentralbanken des Eurosystem prüfen seit einiger Zeit die mögliche Einführung einer digitalen Variante der Gemeinschaftswährung. Im Juli 2021 gab die Europäische Zentralbank (EZB) dabei den Startschuss für eine zweijährige Untersuchungsphase, in der Fragen zu Technologie und Datenschutz geklärt werden. Im Eurosystem sind laut Nagel derzeit eine Online-Variante, über die Zahlungen durch eine Drittpartei abgewickelt werden, und eine Offline-Variante, bei der Zahlungen direkt von Person zu Person erfolgen, als mögliche Gestaltungsformen identifiziert. Über die generelle Einführung soll im Herbst 2032 entschieden werden.
In diesem Zusammenhang hob Nagel auch die Forschung des CFS und IMFS zu aktuellen Entwicklungen im Finanzsystem hervor. „Um die Stabilität des Finanzsystems weiterhin bestmöglich zu gewährleisten, ist die Zusammenarbeit von Zentralbanken und State-of-the-art-Forschungsinstituten von großer Bedeutung.“ Die Bundesbank sei glücklich, gleich mehrere davon in direkter Nachbarschaft zu haben.
Börsen-Zeitung: "Nagel betont Chances eines digitalen Euro" (€)
FAZ/Reuters: "Bundesbank-Chef: Unterstütze neues EZB-Werkzeug nur, wenn Bedingungen stimmen"
dpa-AFX: "Bundesbank-Präsident Nagel: Chancen eines digitalen Euro nutzen"