Menü

2017

14.09.2017

IMFS Distinguished Lecture
Jens Weidmann, Präsident, Deutsche Bundesbank
“Die Geldpolitik nach der Krise”

Redetext
Video

Die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hält Bundesbankpräsident Jens Weidmann zwar für nach wie vor angemessen. Bei seinem Vortrag zur Geldpolitik nach der Krise mahnte er jedoch, die EZB dürfe den Zeitpunkt für einen Ausstieg aus der quantitativen Lockerung nicht verpassen. „Wir sprechen geldpolitisch nicht über eine Vollbremsung, sondern darüber, das Gaspedal nicht noch ständig weiter durchzutreten“, sagte Weidmann vor rund 350 Gästen.

Mit dem breit angelegten Kaufprogramm im Zuge der Finanzkrise sei das Eurosystem zum größten Gläubiger der Mitgliedstaaten geworden. „Das hat die Grenze zwischen der Geldpolitik und der Finanzpolitik weiter verwischt“, warnte Weidmann. Der Kauf von Staatsanleihen müsse allerdings ein reines Notfallinstrument bleiben. Zudem gewinne die wirtschaftliche Erholung im Euroraum weiter an Fahrt. Weidmann verwies darauf, dass selbst nach einem Auslaufen der Nettokäufe der vom Eurosystem gehaltene Bestand an Staatsanleihen auf einem sehr hohen Niveau bleiben werde. Daher werde die Geldpolitik auch weiterhin „sehr akkommodierend bleiben“.

Die expansive Geldpolitik wirke sich auch auf die Risikobereitschaft von Finanzmarktakteuren und Banken aus, sagte Weidmann; doch dies geschehe nicht immer auf die beabsichtigte Art und Weise. Während die in Geldanlagen eher als konservativ geltenden Deutschen mittlerweile mehr auf ertragreichere, aber auch riskantere Anlageformen wie Aktien und Fondsanteile setzten, nehme auch die Scheu der Banken ab, übermäßige Risiken einzugehen.

Weidmann sprach sich jedoch dagegen aus, die Finanzstabilität als gleichrangiges Ziel einer Notenbank neben die Preisstabilität zu stellen. „Je mehr Ziele eine Notenbank verfolgt, desto eher könnte die Geldpolitik in einem Zielkonflikt gefangen sein“. Das Konzept der Finanzstabilität sei deutlich schwerer zu fassen und nicht mit einem Index messbar. Makroprudenzielle Instrumente wie antizyklische Kapitalpuffer für Banken oder Begrenzungen der Kredithöhe seien dazu deutlich besser geeignet. Diese makroprudenziellen Maßnahmen dienten als „Skalpell im Instrumentenkasten einer Notenbank“ im Vergleich zur Geldpolitik, die als Hammer wirke, sagte Weidmann. Darüber hinaus erforderten viele dieser Maßnahmen eine demokratische Legitimation. Die Entscheidung über den Einsatz müsse daher bei der Politik liegen und nicht bei der Bundesbank. Nichtsdestotrotz dürfe eine Notenbank die Finanzstabilität nicht aus den Blick verlieren: „Auch für eine rein am Ziel der Preisstabilität orientierte Geldpolitik kann es ratsam sein, Entwicklungen an den Finanzmärkten zu berücksichtigen“, schloss Weidmann. Dauerhafte makroökonomische Stabilität sei nicht denkbar ohne Finanzstabilität.

13.02.2017

IMFS Distinguished Lecture
Valdis Dombrovskis, Vizepräsident, EU Kommission
"How to Make the Euro a Lasting Success?"

Slides (PDF)

Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission, sieht weiteren Bedarf für eine engere wirtschafts- und finanzpolitische Koordinierung in der EU. Bei der Vorstellung der Winter-Wirtschaftsprognose der Kommission im Rahmen einer IMFS Distinguished Lecture sagte Dombrovskis, der Euroraum sei seit Beginn der Griechenland-Krise „widerstandsfähiger“ geworden, die inzwischen „nur noch sehr geringe Spillover-Effekte auf andere Länder des Euroraums“ habe. Dies sei ein großer Unterschied zu 2010 und 2011, „als wir einige Arten von Dominoeffekten sahen“. Nach Einschätzung der EU-Kommission erholt sich die Weltwirtschaft 2017 wieder„, und die Arbeitslosigkeit geht weiter zurück, ist aber immer noch sehr hoch“.

Da die EU-Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters Länderberichte erstellt, skizzierte Dombrovskis eine Reihe von Empfehlungen für Deutschland, wo die EU-Kommission für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent und für 2018 von 1,8 Prozent erwartet. „Deutschland hat die Krise recht gut überstanden“, sagte Dombrovskis. Mit Blick auf den deutschen Leistungsbilanzüberschuss schlug er jedoch vor, die öffentlichen Investitionen weiter anzukurbeln und Effizienzgewinne im Steuersystem, etwa bei der Unternehmensbesteuerung und der Gewerbesteuer, zu beseitigen. Außerdem forderte Dombrovskis Maßnahmen zur Förderung des Wettbewerbs im Dienstleistungssektor, insbesondere bei Unternehmensdienstleistungen und reglementierten Berufen. Andererseits kritisierte Dombrovskis das deutsche Rentensystem und die geschlechtsspezifische Diskrepanz. Er forderte „mehr Anreize für einen späteren Renteneintritt“ und „eine Verringerung der hohen Steuerbelastung von Geringverdienern“ und verwies auf den relativ hohen Anteil von Frauen in Teilzeit- und Minijobs.

Angesichts der Brexit-Entscheidung der britischen Regierung betonte Dombrovskis die Notwendigkeit, eine Kapitalmarktunion aufzubauen. „Dies macht die Stärkung des Kapitalmarktes noch wichtiger“, sagte er. Die EU sollte sich auch mit Themen wie der Insolvenz von Mitgliedsstaaten und der Unterstützung von Fintechs befassen. Das griechische Programm hingegen sieht Dombrovskis „auf Kurs“, da sich die Wirtschaft erhole. „Wenn wir jetzt diesen letzten Anstoß von außen geben, können wir die zweite Überprüfung abschließen“, sagte Dombrovskis. Was die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) angeht, äußerte sich Dombrovskis positiv. „Ich denke, das ist lösbar“, sagte er.