Menü

2017

13.12.2017

IMFS Policy Lecture
Volker Wieland, IMFS und Sachverständigenrat
"Für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik"

Audio (MP3)
Slides (PDF)

Rekordbeschäftigung, geringe Arbeitslosigkeit - Deutschland geht es wirtschaftlich derzeit gut. Die Gründe dafür liegen nach Einschätzung von Volker Wieland jedoch teilweise bei temporären Faktoren. Wie sich Deutschland auf unvorhergesehene Entwicklungen vorbereiten kann, erläuterte Wieland bei der Präsentation des Jahresgutachtens 2017/18 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, zu dessen Mitgliedern er seit 2013 gehört.

Entgegen der häufig aufkommenden Debatte kann der Sachverständigenrat keine zunehmende Ungleichheit in Deutschland feststellen. „Seit 2005 ist die Einkommensverteilung stabil“, sagte Wieland. Dafür sorge auch die Umverteilung nach Steuern, hier liege Deutschland in der Spitzengruppe. Drohende Risiken sieht der Sachverständigenrat dagegen durch eine sich allmählich abzeichnende Überhitzung der Wirtschaft. Seit 2015 liege das Wachstum über Potenzial.

Um langfristig die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu steigern und nachhaltige Anreize für mehr Leistung zu setzen, empfiehlt der Sachverständigenrat, rund 30 Milliarden Euro, die dem Staat aus der Kalten Progression zugeflossen sind, wieder an die Arbeitnehmer zurückzugeben. Auch der Abbau des Solidaritätszuschlags hält der Sachverständigenrat für angemessen. Eine große Herausforderung sehen die Ökonomen im demographischen Wandel. Abhilfe sollte hier die Einführung eines flexiblen Renteneintrittsalters schaffen. Den Anforderungen der zunehmenden Digitalisierung sollte Deutschland beispielsweise mit der Einrichtung einer Digitalisierungskommission begegnen. „Das Problem ist eher die mangelnde Nutzung des Internets als die fehlende Infrastruktur“, sagte Wieland.

Nachhaltige Lösungen strebt der Sachverständigenrat auch auf europäischer Ebene an. So mahnte Wieland die Mitgliedstaaten, im eigenen Interesse Strukturreformen umzusetzen und den oftmals noch hohen Schuldenstand abzubauen. „Viele Staaten haben den Zinsvorteil durch die Geldpolitik der EZB nicht genutzt“, kritisierte Wieland. Eine gemeinsame Fiskalpolitik im Euroraum sei hingegen nicht notwendig. „Die Mitgliedstaaten sollten die Fiskalpolitik selbst beeinflussen können“, sagte er. Sinnvoll sei es jedoch, den Krisenfonds ESM zu einem Währungsfonds zu erweitern, der auch für die Überwachung und Restrukturierung von Staatsschulden zuständig sei.

Weiterhin mahnte Wieland, die Kapitalmarktunion zu vervollständigen. In der Frage der Bankenunion sieht Wieland allerdings noch erheblichen Handlungsbedarf bei den notleidenden Krediten: „Erst müssen vorhandene Risiken durch faule Kredite abgebaut werden, bevor wir mehr Risikoteilung einführen können“.

27.11.2017

Panel Discussion
Dimitri Vayanos, London School of Economics; Nikolaos Vettas, Athens University; Lars Feld, German Council of Economic Experts; Vítor Constâncio, European Central Bank; Michael Haliassos, Goethe University (Moderator)
“The Greek Crisis, Structural Reforms and Eurozone Convergence”

Video (Uni Frankfurt)
Slides (PDF)

Die Krise in Griechenland ist von den Titelseiten der Zeitungen verschwunden. Dennoch ist sie noch lange nicht gelöst. Die Gründe für den Einbruch der griechischen Wirtschaft, die bisher durchgeführten Reformen und Maßnahmen zur Förderung eines nachhaltigen Wachstums standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion am IMFS mit den griechischen Wirtschaftswissenschaftlern Dimitri Vayanos und Nikos Vettas. Die Diskussion wurde von Michael Haliassos von der Goethe-Universität moderiert.

Laut Vavanos, der Professor für Finanzen an der London School of Economics ist, waren das niedrige langfristige Wachstum und die geringen Unternehmens- und ausländischen Direktinvestitionen die grundlegenden Ursachen. „Dies wurde durch Mängel in der Architektur des Euroraums noch verschärft“, sagte Vayanos und bezog sich dabei auf den fehlenden Rahmen für den Ausfall von Staaten im Euroraum und die Bankenaufsicht, der nach der Staatsschuldenkrise geschaffen wurde. Nikos Vettas, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Athen, sieht Griechenland an einem Scheideweg: „Derzeit gibt es keine neuen Haushaltsdefizite, aber die derzeitige Mischung aus Steuereinnahmen und Ausgaben trägt nicht zum Wachstum bei“.

Aus diesem Grund haben Vayanos und Vettas zusammen mit einer Reihe von griechischen Wirtschaftswissenschaftlern aus Institutionen innerhalb und außerhalb Griechenlands die Situation in Griechenland analysiert und in dem neuen Buch „Beyond Austerity“ konkrete Vorschläge und mögliche Lösungen vorgelegt: Reforming the Greek Economy“.

Den Herausgebern zufolge wurden bereits einige wichtige Verbesserungen vorgenommen, wie die Deregulierung des Arbeitsmarktes, Rentenkürzungen, die Deregulierung der Produktmärkte und die Einführung einer unabhängigen Steuererhebung. Vayanos und Vettas betonten jedoch, dass das Hauptproblem nach wie vor besteht: „Die Unsicherheit hält die Investitionen fern“. Sie kritisierten, dass der Staat für die Wirtschaft wichtiger sei als vor der Krise. Deshalb brauche Griechenland ein neues Wachstumsmodell, bei dem Investitionen und Exporte einen größeren Anteil an der Wirtschaft ausmachen. Das Sozialsystem, in dem es keine Unterstützung für Arbeitslose nach zwölf Monaten gibt, die Belastung der Wirtschaftstätigkeit durch das Steuersystem und die Hindernisse bei der Gründung eines Unternehmens in Griechenland sind nur einige der Bereiche, die Vettas als verbesserungsfähig bezeichnete.

Vítor Constâncio, Vizepräsident der EZB, betonte die Tatsache, dass in der Architektur des Euroraums keine Instrumente für das Krisenmanagement vorgesehen waren und daher in aller Eile geschaffen werden mussten. „Die Bankenunion fehlte von Anfang an in der Konzeption der Währungsunion“, sagte er. Der starke Rückgang des Pro-Kopf-BIP sowie das niedrige Niveau der griechischen Exporte waren die Aspekte, die den EZB-Vizepräsidenten im Verlauf der Krise am meisten überraschten: „Die griechische Wirtschaft war geschlossener als ich dachte“, sagte Constâncio.

Lars Feld, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) und Direktor des Eucken-Instituts, sprach sich für ein viertes Programm für Griechenland aus, damit die Reformen noch einige Zeit andauern können. „In drei Jahren könnte Griechenland endgültig über die Klippen sein“, sagte Feld. Allerdings räumte er ein, dass ein viertes Programm in der Eurozone politisch nicht durchsetzbar sei. Volker Wieland, ebenfalls Mitglied des Sachverständigenrates, schlug den Herausgebern des Buches vor, ihre Analyse auf die wirtschaftliche Entwicklung anzuwenden: „Warum nicht eine unabhängige Gruppe griechischer Ökonomen gründen, um die Reformen im Land zu überwachen?“

27.03.2017

IMFS Working Lunch
“Bank Resolution - Will it Work?”
Danny Busch, Professor für Finanzrecht, Radboud-Universität
Pierre-Henri Conac, Professor für Wirtschafts- und Unternehmensrecht, Universität von Luxemburg
Tobias Tröger, Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, und Rechtstheorie, Goethe-Universität und IMFS

Slides Danny Busch (PDF)
Slides Tobias Tröger (PDF)

Ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Bankenabwicklung ist der Ernstfall noch nicht eingetreten. Wo die Schwachstellen liegen, zeichnet sich nach Einschätzung von Experten allerdings deutlich ab. Eine Zwischenbilanz zogen beim Working Lunch Danny Busch, Professor für Finanzrecht an der Universität Radboud, Pierre-Henri Conac, Professor für Wirtschafts- und Unternehmensrecht an der Universität Luxemburg, und Tobias Tröger, Professor für Handels- und Wirtschaftsrecht und assoziierter Professor am IMFS. 

Das Konzept des Bail-in sei „sehr kompliziert“, kritisierte Tröger das Instrument der Gläubigerbeteiligung, bei dem neben Eigentümern und Gläubigern auch Fremdkapitalgeber zur Haftung für die Verluste einer Bank herangezogen werden. „Was bei einer Bankenabwicklung am Ende herauskommt, ist nur sehr schwer vorsehbar“.

Am Beispiel der italienischen Bank Monte de Paschi di Siena (MPS) erläuterte Busch, wie nationale Regierungen dazu tendieren, Schlupflöcher in den Abwicklungsmechanismen zu nutzen. „Mit der vorsorglichen Rekapitalisierung bleiben die nationalen Behörden weiter am Steuer“, sagte Busch und verwies auf die italienische Regierung, die am Tag vor Weihnachten der MPS staatliche Unterstützung zugesagt hatte. Im Abwicklungsprozedere ist die vorsorgliche Rekapitalisierung (precautionary recapitalization) durch staatliche Hilfen lebensfähigen Banken vorbehalten, deren Abwicklung die Finanzstabilität gefährden würde. Conac, der auch als Berater der Finanzmarktaufsicht ESMA tätig war, sieht in der Situation in Italien den politischen Widerstand gegen eine Bankenabwicklung illustriert. Diesen politischen Einfluss gelte es jedoch seiner Einschätzung nach zu beseitigen. „Missmanagement, der Einfluss der Politik und schlechte Corporate Governance sind überhaupt erst die Gründe dafür, dass eine Bank pleitegeht“, sagte Conac. Unter dem Einfluss der Politik könne es zu einem Mix aus Bail in und Bail-out kommen. „Am Ende neutralisiert sich das Bail-in komplett“, beschrieb Conac.

Dass auch die Forderung nach höherem Eigenkapital der Banken in der Praxis mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden ist, führte Tröger aus. Unterschiedliche nationale Insolvenzrechte erschwerten zudem grenzüberschreitende Abwicklungsfälle. Tröger unterstrich die Bedeutung eines finanziellen Auffangnetzes, eines „fiscal backstop“. Die wichtigste Maßgabe bleibt für Tröger: „Die Haftungskaskade sollte vorhersehbar sein“.