2011
16.06.2011
Martin Wolf, Financial Times
"Lessons From the Eurozone's Crisis"
In seinem Vortrag über „Lehren aus der Krise der Eurozone“ erörterte der Chefkommentator für Wirtschaftsfragen der Financial Times, Martin Wolf, fünf Fragen: 1. Wie ist die Eurozone dorthin gekommen, wo sie jetzt ist? 2. Worin besteht die Herausforderung der Anpassung? 3. Wie hat die Eurozone ihre Krise bewältigt? 4. Wie könnte die Eurozone ihre Probleme lösen? 5. Was sind die deutschen Interessen? Seine ausführlichen Erklärungen führten zu der Schlussfolgerung, dass die Eurozone nun die Wahl hat, welchen Weg sie einschlagen oder ob sie auseinanderbrechen soll. Eine Möglichkeit wäre ein weiterer Schritt hin zu einer Fiskalunion, mit Banken, die durch eine gemeinsame Staatskasse gestützt werden, und umfangreichen Finanztransfers an schwache Regionen, was sicherlich einen einheitlichen politischen Prozess erfordern würde. Eine andere - schreckliche - Möglichkeit wäre der Übergang zu voller wirtschaftlicher Flexibilität, mit Umschuldung und nationalen finanziellen Zusammenbrüchen.
18.05.2011
Anders Borg, Minister of Finance, Sweden
"Ensuring Fiscal and Financial Stability in Europe - Lessons From Sweden"
In der Hessischen Landesvertretung in Berlin hielt Anders Borg, schwedischer Finanzminister, einen Vortrag zum Thema „Sicherstellung der fiskalischen und finanziellen Stabilität in Europa - Lehren aus Schweden“. Der Minister erläuterte, was seiner Ansicht nach die wesentlichen Bestandteile des schwedischen finanzpolitischen Rahmens sind und was andere Länder von den schwedischen Erfahrungen lernen können. Anfang der 1990er Jahre befand sich Schweden in einer Lage, die viel mit der heutigen Situation in Ländern wie Spanien und Portugal gemein hat. Das öffentliche Defizit lag bei 11 %, die Arbeitslosigkeit stieg von 3 % auf 10 % und die Risikoprämie gegenüber Deutschland betrug mehrere Prozentpunkte. Der Zinssatz erreichte zeitweise sogar 500 %. Der schwedische finanzpolitische Rahmen war einer der schwächsten in der EU. Dem Markt fehlte das Vertrauen sowohl in die schwedische Wirtschaft als auch in die Fähigkeit des politischen Systems, die Dinge zu ändern. Schweden hat also bereits Erfahrung mit der Situation, in der sich viele EU-Länder heute befinden.
Minister Borg wies auf die Notwendigkeit hin, dass Europa ernsthafte Reformen durchführen muss, um die steuerliche und finanzielle Stabilität zu gewährleisten. Dies könne man von Schweden lernen, indem man einen starken finanzpolitischen Rahmen einführe, einen effektiven Haushaltsprozess sicherstelle, bei dem das Finanzministerium eine zentrale Rolle spiele, und indem man die notwendigen Strukturreformen durchführe.
Ein Empfang für alle Teilnehmer folgte auf den Vortrag, ein Abendessen mit geladenen Gästen - und als Höhepunkt die Anwesenheit von Staatssekretär Jörg Asmussen - bildete den Abschluss der Veranstaltung.
08.03.2011
Masaaki Shirakawa, Governor, Bank of Japan
"150 Years of Innovation and Challenges in Monetary Control"
Masaaki Shirakawa, Gouverneur der Bank von Japan, konzentrierte sich in seiner Rede auf das Thema „150 Jahre Innovation und Herausforderungen bei der Geldmengensteuerung“. Er wies auf vier Innovationen hin, die eine wichtige Rolle bei der monetären Steuerung und damit bei der Erreichung wirtschaftlicher Stabilität gespielt haben: 1. die Erfindung der Zentralbanken, 2. die Erfindung eines „lender of last resort“, 3. die Erfindung der Geldpolitik, 4. die Einführung des Konzepts der Zentralbankunabhängigkeit. Er wies darauf hin, dass bei der praktischen Anwendung dieser Innovationen eine ständige Anpassung an die Veränderungen im finanziellen und wirtschaftlichen Umfeld erforderlich ist. Was die Existenz der Zentralbanken betrifft, so ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Zentralbanken als Reaktion auf die Veränderungen des Umfelds politische Maßnahmen ergreifen. Internationale Zusammenarbeit ist nicht nur zwischen den Zentralbanken, sondern auch auf verschiedenen Regierungsebenen und im privaten Sektor erforderlich.
Der Vortrag war eingebettet in den Rahmen von „150 Jahre Freundschaft Deutschland - Japan“, der von der japanischen Botschaft in Deutschland gefördert wurde. Grußworte an den Gouverneur sprachen Luise Hölscher, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium der Finanzen, Lutz Raettig, Stadtrat (Stadt Frankfurt), und Herr Toyoei Shigeeda, Generalkonsul von Japan in Frankfurt. Der Abend klang mit einem Empfang aus.
21.02.2011
Jürgen Stark, European Central Bank
“Central Banking After the Financial Crisis”
Die globale Finanzkrise war das schwerste finanzielle und wirtschaftliche Debakel seit der Großen Depression in den 1930er Jahren. Die Zentralbanken und die Regierungen spielten eine Schlüsselrolle bei der Eindämmung der Auswirkungen der Krise, indem sie einen weltweiten wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenbruch verhinderten. Gleichzeitig kann die Krise - die übrigens noch nicht vorbei ist - wichtige Auswirkungen auf das Zentralbankwesen haben. Darauf ging Jürgen Stark, Mitglied des EZB-Direktoriums, in seinem Vortrag mit dem Titel „Central Banking After the Financial Crisis“ ein.
Jürgen Stark betonte, dass die Geldpolitik auf das Ziel ausgerichtet sein sollte, mittelfristig Preisstabilität zu gewährleisten, und dass die Zentralbanken von den Regierungen unabhängig sein sollten. Die Krise hat jedoch die Unzulänglichkeiten der globalen Währungsordnung vor der Krise offenbart. Eine unzureichende mittelfristige Ausrichtung des geldpolitischen Rahmens führte in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften zu einem zu lockeren geldpolitischen Kurs und trug meines Erachtens wesentlich zur Verschärfung der finanziellen Exzesse vor der Krise bei. Eine stärkere mittelfristige Ausrichtung des geldpolitischen Rahmens erfordert auch eine angemessene Haltung gegenüber Finanzzyklen, die dadurch erreicht werden kann, dass Geld- und Kreditaggregate einen angemessenen Platz in der geldpolitischen Strategie erhalten.
Diese Erkenntnisse müssen bei den derzeitigen Überlegungen zum Auslaufen der Nicht-Standardmaßnahmen berücksichtigt werden. Die Gefahr, dass durch eine zu lange Beibehaltung eines zu lockeren geldpolitischen Kurses erneut finanzielle Ungleichgewichte und schwerwiegende finanzielle Verzerrungen entstehen, ist beträchtlich.
Schließlich darf die grundlegende Errungenschaft, einen glaubwürdigen, auf Preisstabilität ausgerichteten geldpolitischen Rahmen zu schaffen, nicht aufs Spiel gesetzt werden. Die Zentralbanken müssen vermeiden, dass Zweifel an ihrer Verpflichtung zur Gewährleistung der Preisstabilität und ihrer Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme aufkommen. In dieser Hinsicht ist es wichtig, auf jede Art von monetärer Finanzierung zu verzichten. Letztlich ist es Aufgabe der Finanzbehörden, die Ursachen der aktuellen Probleme anzugehen und Maßnahmen zu ergreifen, um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen glaubwürdig zu gewährleisten.