Menü

2018

12.12.2018

IMFS Policy Lecture
Volker Wieland, IMFS und Sachverständigenrat
"Vor wichtigen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen"

Slides (PDF)

Auf 1,6 Prozent hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung seine Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr gesenkt. Deutschland befindet sich zwar in einer der längsten Aufschwungphasen. Doch bei zunehmender Überauslastung geht das Wachstum nun allmählich zurück. Als offene Volkswirtschaft reagiere Deutschland besonders empfindlich auf globale Entwicklungen, warnte Prof. Volker Wieland bei der Vorstellung des neuesten Gutachtens des Sachverständigenrats. „Vor wichtigen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen“ ist das Jahresgutachten überschrieben – und soll auf diese Weise vor Augen führen, dass es zahlreiche Ansätze gibt, um die Wirtschaft für die zu erwartende Abschwächung fit zu machen. „Wegen der extrem hohen Außenhandelsquote von 84 Prozent ist Deutschland besonders betroffen von den Risiken durch die amerikanische Handelspolitik“, sagte Wieland.

Im Inland erwarteten die deutsche Wirtschaft mit dem demographischen Wandel zudem enorme Herausforderungen. So liege der Altersquotient, also das Verhältnis der über 65-Jährigen zu den 20- bis 64-Jährigen – derzeit bei rund 35 Prozent, während die Alterung nach 2025 sprunghaft ansteige auf ein Niveau von über 50 Prozent im Jahr 2050, erklärte Wieland. „Doppelte Haltelinien beim Rentenbeitragssatz für die Zeit nach 2025 sind hier eindeutig der falsche Weg“, sagte Wieland. Umso wichtiger sei es, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung anzupassen und das Potenzial an Arbeitskräften zu erhöhen. Hier verwies Wieland auf Maßnahmen wie flexiblere Arbeitszeiten, die Ausweitung von Teilzeitbeschäftigung und damit verbunden den Ausbau der Ganztagsbetreuung.

Entscheidend könnte dabei auch sein, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Dabei gehe es weniger um den Ausbau der Breitbandverbindungen als um den Abbau von Regulierungen und die Akzeptanz in der Bevölkerungen. „Die Entwicklung von einem Start-up zu einem weltweit führenden Unternehmen wie Google ist in Deutschland schwer vorstellbar“, sagte Wieland. Generell sei das Unternehmertun weniger angesehen als etwa in den Vereinigten Staaten. Um sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten, müsse Deutschland jetzt darauf achten, wettbewerbsfähig zu bleiben. So drohe Deutschland beispielsweise, nach der größten Steuerreform in den Vereinigten Staaten seit 1986 und Steuersenkungen im internationalen Standortvergleich ins Hintertreffen zu geraten. „Wir sollten den internationalen Steuerwettbewerb annehmen“, mahnte Wieland. 

22.11.2018

IMFS Working Lunch
Wolf-Georg Ringe, Universität Hamburg
"The Dark Side of Bank Resolution: Counterparty Risk Through Bail-in"

Das Bail-in von Finanzinstituten wurde als eine der wichtigsten Errungenschaften nach der Finanzkrise gepriesen, da die Verluste den Gläubigern und nicht den Steuerzahlern auferlegt werden. Prof. Georg Ringe, Inhaber des Lehrstuhls für Ökonomische Analyse des Rechts an der Universität Hamburg, argumentierte in seinem Vortrag, dass die Auswirkungen des Bail-in-Instruments sogar kontraproduktiv sein könnten.

Ausgehend von der Erkenntnis, dass das traditionelle Konkursrecht kein geeigneter Rahmen sei, habe man nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers die Idee gehabt, „die normale Marktdisziplin im Bankensektor wieder einzuführen“, erklärte Ringe. Ein Bail-in der Gläubiger ist jedoch nur möglich, wenn die Holdinggesellschaft über genügend Kapital verfügt. Daher enthält die Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Banken (BRRD) die Vorschriften über die Mindestanforderung für Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL), und der Rat für Finanzstabilität (FSB) hat den endgültigen Standard für die Gesamtverlustabsorptionskapazität (TLAC) für global systemrelevante Banken (G-SIBs) herausgegeben.

In der neuen Verordnung wird das systemische Risiko durch die Auswahl der Gegenparteien externalisiert. „Aber wie wirksam ein Bail-in ist, hängt davon ab, wer diese Gegenparteien sind“, sagte Ringe. Auf der Grundlage der Wertpapierbestandsstatistiken (SHS) der Europäischen Zentralbank (EZB) stellte er fest, dass Banken nach 2016 ihre Bestände an Wertpapieren von Banken erhöhten, während Nicht-Banken sie reduzierten. Seiner Meinung nach können diese Verflechtungen zwischen den Banken die Ausbreitung des systemischen Risikos verschärfen. „Banken haben ein Interesse daran, in andere Banken zu investieren, da diese Verflechtung ihnen bei kleinen Schocks helfen kann“, erklärte Ringe. Bei großen Schocks ist die Situation laut Ringe umgekehrt. „Bei großen Schocks könnten die Regulierungsbehörden aufgrund der Verflechtung sogar davor zurückschrecken, etwas zu unternehmen“. Daher rät Ringe von jeglichen Ex-ante-Vorschriften ab. „Transparenz ist der Schlüssel, und die optimale Risikogestaltung hängt wirklich von der Art des systemischen Risikos ab“.

07.11.2018

IMFS Working Lunch
Peter Lutz, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
Brexit: Challenges for Banks and Supervisors - A Supervisor's Perspective”

Slides (PDF)

Viereinhalb Monate vor dem Brexit bereitet Peter Lutz von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Behandlung von Derivatkontrakten die größten Sorgen. In seinem Vortrag im Rahmen der Working Lunch-Reihe beschrieb der Leiter der Abteilung Koordination und Aufsicht über ausländische Banken die möglichen Klippeneffekte, die die BaFin bei einem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union Ende März 2019 für die Funktionsfähigkeit und Stabilität des deutschen Finanzsystems zu gewährleisten versucht.

Da die Banken im Vereinigten Königreich entscheiden müssen, ob sie ihr Geschäft abwickeln oder eine neue Lizenz für ein europäisches Land erhalten sollen, bearbeitet die BaFin mehr als 40 Anträge auf eine Lizenz. Drei bis vier Personen kümmern sich um einen Fall, sagte Lutz. Dabei ist die BaFin bestrebt, Arbitrage zu vermeiden und das Genehmigungsverfahren rechtzeitig abzuschließen. "In der Vorantragsphase versuchen wir, den Banken in unseren Erläuterungen näher zu bringen, was wir sehen wollen. Wenn die Pläne klarer werden, schalten wir die EZB ein". Ein Thema, das sehr ausführlich diskutiert wird, ist das Geschäftsmodell. Hier unterstreicht die BaFin, dass Briefkastenfirmen nicht zulässig sind. Ein angemessenes Management und eine angemessene Personalausstattung sind laut Lutz eine Voraussetzung. Zum anderen stellt sich auch die Frage der Doppelhutung. Kann ein und dieselbe Person als Manager der Bank und der Wertpapierfirma eines Instituts fungieren? Außerdem duldet die BaFin nur für eine gewisse Zeit, dass Banken Dienstleistungen in London in Anspruch nehmen oder von London aus noch Geschäfte an eine Bank in einem EU27-Land vermitteln. Interne Risikomodelle, die bereits von der britischen Prudential Regulation Authority (PRA), einer Abteilung der BoE, genehmigt wurden, können innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens verwendet werden. Die BaFin versuche, ein aufsichtsrechtliches Gleichgewicht zwischen der Aufrechterhaltung gleicher Wettbewerbsbedingungen und der Berücksichtigung des Brexit als externem Effekt zu wahren, erklärte Lutz. Auch die Behörden müssen zusammenarbeiten. „An dem Tag, an dem das Vereinigte Königreich ein drittes Land wird, ist ein Memorandum of Understanding erforderlich“.

Lutz wies jedoch darauf hin, dass einige Fragen wie die Behandlung von Derivatverträgen nicht von den nationalen Behörden gelöst werden können. Daher beendete er seinen Vortrag mit einem Appell an den Bankensektor. „Wir wollen, dass sich in der Branche etwas bewegt und nicht nur auf die Gesetzgebung gewartet wird“.

29.05.2018

IMFS Working Lunch
Tobias Adrian, International Monetary Fund
"The Current Global Financial Stability Assessment"

Slides (PDF)

Obwohl die finanziellen Bedingungen in allen wichtigen Regionen der Welt entspannt sind, steht der Wirtschaft „ein holpriger Weg bevor“. Dies ist die Pointe von Tobias Adrians Vortrag beim Working Lunch. Adrian, ein Research Fellow des IMFS, ist Direktor der Abteilung Geld- und Kapitalmärkte des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Finanzberater von Christine Lagarde.

Infolge der seit vielen Jahren anhaltenden lockeren Finanzbedingungen haben sich viele Risiken aufgestaut, erklärte Adrian, der auch für den Global Financial Stability Report (GFSR) des IWF verantwortlich ist. In diesem Bericht werden die wichtigsten Risiken für das globale Finanzsystem bewertet. Während die Bedingungen ein Jahr in die Zukunft noch gut aussehen, betonte Adrian, dass die Situation für einen Dreijahreshorizont völlig anders aussieht: „Mittelfristig sehen wir eine Menge Risiken“. Im Vergleich zum Jahr 2000 liegen diese mittelfristigen Schätzungen für das weltweite BIP-Wachstum sogar noch niedriger.

Adrian zufolge gibt es verschiedene Aspekte der zugrunde liegenden Anfälligkeiten. Zunächst einmal hat die globale Aktienrallye die Bewertungen weltweit in die Höhe getrieben. Die Märkte preisen keine signifikante Wahrscheinlichkeit einer deutlich höheren Inflation ein.

In Bezug auf die Kreditqualität warnte Adrian, dass sich die Kreditvergabestandards weiter verschlechtern. Die Nachfrage nach risikoreichen Vermögenswerten hat die Kreditspreads gedrückt. Andererseits hat das weltweite Streben nach Renditen die Anlegerströme in Private-Equity-Fonds gelenkt. „Der Markt für Leveraged Loans befindet sich auf einem Allzeithoch, und Private-Equity-Fonds sind wichtige Akteure“, betonte er. Als Folge der schwächer werdenden Kreditqualität wächst die Basis der Nicht-Banken-Investoren.

In Bezug auf Schwellenländer und Länder mit niedrigem Einkommen verwies Adrian auf die Situation in China, auf das ein erheblicher Teil des 400-prozentigen Anstiegs der gesamten Finanzanlagen im Verhältnis zum BIP entfällt. Im Gegensatz dazu gibt es in China nur fünf große Banken und einige kleine und mittlere Banken. Dies wiederum hat in China zu einem sehr großen Schattenbankensektor geführt, in dem ein großes Risiko steckt, ähnlich wie im chinesischen Versicherungssektor, den er ebenfalls für sehr riskant hält.

Adrian zufolge liegt eine weitere wichtige Quelle der Anfälligkeit im Bankensektor. Obwohl die Banken heute viel sicherer sind als vor der globalen Finanzkrise, da sie über eine höhere Liquidität verfügen, bündeln sie letztlich viele Vermögenswerte in US-Dollar, warnte Adrian. Deshalb fordern wir die Regulierungsbehörden auf, auch die Währungsebene zu berücksichtigen".

Nach Ansicht von Adrian wird die riskante Situation durch das politische Umfeld noch verschärft. "Das Vertrauen in die politischen Institutionen schwindet weltweit, was ein hohes Risiko mit sich bringt. In diesem Fall helfen weder historische Daten noch Modelle weiter. „Wir wissen nicht, wo das enden wird“, so Adrian abschließend.

22.02.2018

IMFS Working Lunch
Stephen L. Schwarcz, Professor of Law & Business, Duke University School of Law
"Central Clearing of Financial Contracts: Theory and Regulatory Implications"

Die moderne Finanzregulierung verlangt, dass Derivatkontrakte über zentrale Gegenparteien abgerechnet und abgewickelt werden, z. B. über Clearingstellen, die mit Derivat- und Warenbörsen verbunden sind, um das Systemrisiko zu verringern. In seinem Working Lunch untersuchte Stephen Schwarcz, Professor für Recht an der Duke University, ob die Regulierungsbehörden auch das zentrale Clearing von nicht-derivativen Finanzkontrakten vorschreiben sollten.

Nach der Finanzkrise vertrat das Financial Stability Board (FSB) die Auffassung, dass Derivate von Natur aus riskant seien, da es sich bei ihnen um Schulden handelt und sie volatil sind. Durch die Konzentration auf eine zentrale Gegenpartei sollte daher das systemische Risiko insgesamt verringert werden. Schwarcz wies jedoch darauf hin, dass das Netto-Gegenparteirisiko bei nicht-derivativen Finanzkontrakten das bei Derivatkontrakten weit übersteigt. Er warf die Frage auf, ob Derivate wirklich risikoreicher seien als andere Arten von Finanzkontrakten.

Er wies ferner darauf hin, dass CCP häufig als Zweckgesellschaften (Special Purpose Entities, SPE) gegründet wurden. Da sie ihre Aufgaben ausgeweitet haben, forderte Schwarcz, dass sie mit einem Ringfencing versehen werden sollten, um andere Clearing-Mitglieder vor dem kumulierten Risiko zu schützen. Schwarcz zufolge ist es jedoch sehr schwierig, spezifische Gesetze zu formulieren, um dies zu erreichen. Normalerweise schreiben die Regulierungsbehörden den großen Finanzinstituten nicht vor, wie sie ihr Risiko kontrollieren sollen. Er kam zu dem Schluss, dass selbst das multilaterale Netting von nicht-derivativen Finanzkontrakten das Risiko nicht systematisch verringert.

07.02.2018

IMFS Working Lunch
Robert Kaplan, President, Federal Reserve Bank of Dallas
"A Discussion of U.S. Macroeconomic Trends and Their Implications for U.S. Monetary Policy"

Für Robert Kaplan, Präsident der Federal Reserve Bank of Dallas, ist die technologiegestützte Disruption einer der wichtigsten wirtschaftlichen Trends, die die Zukunft prägen werden. Seiner Meinung nach ist der jüngste Einbruch am Aktienmarkt jedoch wahrscheinlich eine gesunde Korrektur und nicht der Beginn einer neuen Krise. In seinem Vortrag beim IMFS Working Lunch teilte Kaplan seine Erkenntnisse über die makroökonomischen Trends in den Vereinigten Staaten und verglich sie mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland mit Volker Wieland als seinem Interviewpartner.

Im Hinblick auf die Entstehung dominanter Technologieunternehmen in den Vereinigten Staaten, wie Google oder Amazon, wies Kaplan auf die Bedeutung weicher Faktoren hin. „Abgesehen von den Investitionen braucht man für solche Unternehmen ein Ökosystem“, womit er auf Infrastruktur, Bildung und Universitäten verwies. Diese Voraussetzungen seien sowohl in Kalifornien als auch in der Region um Boston reichlich vorhanden. Leidenschaft ist jedoch der Treibstoff für Innovationen, nicht Geld", schloss Kaplan. In diesem Zusammenhang betonte er auch die Bedeutung von Bildung und lebenslangem Lernen. „In den USA hinken wir hinterher, wenn es darum geht, Menschen zu helfen, sich für Arbeitsplätze mit mittlerer Qualifikation zu qualifizieren“.

Seiner Meinung nach ist die technologiegestützte Disruption eine der ständigen wirtschaftlichen Entwicklungen in den USA, zusammen mit dem sich verlangsamenden Wachstum der Erwerbsbevölkerung und der steigenden Staatsverschuldung. In Bezug auf die demografische Entwicklung sagte Kaplan, dass 50 Prozent des Arbeitskräftezuwachses in den letzten zwanzig Jahren auf Einwanderer und ihre Kinder zurückzuführen sei. „Dies ist auch eine Möglichkeit, schneller zu wachsen als die Schulden“, sagte er. Er geht davon aus, dass die demografische Situation die Art und Weise, wie die Zentralbank die Finanzpolitik in Zukunft anwenden wird, einschränken wird. Kaplan steht seit September 2015 an der Spitze der Dallas Fed. Er ist ein nicht stimmberechtigtes Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der Fed.

Im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Geldpolitik erklärte Kaplan, dass höhere Löhne in den Vereinigten Staaten nicht unbedingt zu einer schnelleren Inflation führen werden. Obwohl in den Vereinigten Staaten fast Vollbeschäftigung herrsche - eines der Ziele des Fed-Mandats - sei Kaplan nicht davon überzeugt, dass sich dies in höheren Preisen niederschlage, da die Unternehmen aufgrund des technologischen Fortschritts eine viel geringere Preissetzungsmacht hätten. Kaplan zufolge sollte die Fed die Geldpolitik weiter straffen. „Wenn die Vollbeschäftigung deutlich genug überschritten wird, zeigt die Geschichte, dass sich in der Regel andere Exzesse und Ungleichgewichte aufbauen“, warnte er.