2024
16.12.2024
IMFS Policy Lecture
Prof. Dr. Veronika Grimm, Technische Universität Nürnberg & Sachverständigenrat
“Versäumnisse angehen, entschlossen modernisieren”
09.07.2024
IMFS Policy Lecture
Wolf H. Reuter, Bundesministerium der Finanzen
"Wachstumsinitiative: Neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland"
Höhere Zuschläge für die Forschung in Unternehmen, Änderungen beim Bürgergeld, steuerliche Begünstigungen für zugewanderte Fachkräfte – das sind nur einige der Maßnahmen, mit denen der Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähiger werden soll. Wie diese Maßnahmen im Einzelnen aussehen sollen, erläuterte Dr. Wolf Heinrich Reuter, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, bei einer IMFS Policy Lecture. Eine Wachstumsinitiative bestehend aus 49 Punkten hatte Finanzminister Christian Lindner wenige Tage zuvor gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck bei der Präsentation des Haushaltsentwurfs vorgestellt.
Die Ausgangssituation ist ernüchternd. Aufgrund des demographischen Wandels sei das Potenzialwachstum um einiges niedriger, als man es aus den Vorjahren kenne, fasste Reuter zusammen. „Aus einer Phase mit hohen Preissteigerungen kommend braucht es nun ein Signal, das die Aufwärtsbewegung unterstützt“, so Reuter weiter. Verbesserte Abschreibungsbedingungen und eine Ausweitung der Forschungszulage sollen Unternehmen bessere Rahmenbedingungen bieten, ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken und so einen Anreiz für Investitionen bieten. Private Investitionen machen etwa 90 Prozent der Gesamtinvestitionen aus, staatliche Investitionen seien nur ein kleinerer Teil. „Das wird gerne vergessen“, mahnte Reuter.
Immer wieder genannt bei den größten Hemmnissen für Investitionen oder bei der Ausweitung von Produktion werde die überbordende Bürokratie. Hier plane die Bundesregierung ein jährliches Bürokratieentlastungsgesetz und eine Vereinheitlichung der datenschutzrechtlichen Anforderungen auf EU-Ebene. Das umstrittene Gesetz zur Lieferkettensorgfaltspflicht solle pragmatisch umgesetzt werden.
Der größte Block der gesammelten Maßnahmen widmet sich dem Arbeitsmarkt. Hier soll generell Mehrarbeit steuerlich begünstigt werden. Bei älteren Arbeitnehmern, die über das Rentenalter hinaus einer Beschäftigung nachgehen, sei geplant, den Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosen- und zur Rentenversicherung zu streichen und stattdessen auszuzahlen. Beim Bezug von Bürgergeld will die Bundesregierung zumutbare Pendelzeiten von angebotenen Arbeitsstellen ausweiten und setzt andererseits auf härtere Sanktionen. Für ausländische Fachkräfte soll die Arbeitsaufnahme steuerlich begünstigt werden, Geflüchtete sollen generell leichter eine Arbeit aufnehmen können. „An allen Stellschrauben, wo man das Arbeitsvolumen erhöhen kann, wollen wir ansetzen“, sagte Reuter.
Auch der Finanzstandort Deutschland solle mit der Initiative gestärkt werden. Wagniskapital werde in Deutschland deutlich weniger eingesetzt als in den USA. Das wolle man ändern, so Reuter. Den Bereich der privaten Altersvorsorge werde man attraktiver gestalten: Im Herbst soll ein Altersvorsorgedepot die staatlich geförderte Riester-Rente ersetzen. Als fünfter Bereich soll ein leistungsfähiger Energiemarkt zur Stärkung der Wirtschaft beitragen. Dazu werde die Senkung der Stromsteuer verstetigt. Im Zuge der Energiewende solle auf verschiedene Technologien gesetzt werden. Insgesamt solle die Initiative über Anreize wirken - es sei nicht die eine, große Reform geplant. Dabei schickte Reuter eine Mahnung direkt vorweg: „Wir werden bei den vielen Maßnahmen darauf achten müssen, dass sie entsprechend aufgesetzt werden und nicht wieder zu viel Bürokratie entsteht.“
25.03.2024
IMFS Policy Talk
Tobias Linzert, Europäische Zentralbank
“The New Operational Framework of the ECB”
Discussant: Jens Eisenschmidt, Morgan Stanley
20.02.2024
IMFS Policy Lecture
Prof. Dr. Veronika Grimm, Universität Erlangen-Nürnberg & Sachverständigenrat
“Wachstumsschwäche überwinden - In die Zukunft investieren”
Die Lage der deutschen Wirtschaft stimmt nicht hoffnungsfroh. „Es ist davon auszugehen, dass wir in diesem Jahr eine Stagnation erleben“, sagte Prof. Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaften Entwicklung, bei der IMFS Policy Lecture am 20. Februar. Doch auch längerfristig drohe Deutschland eine Wachstumsschwäche. Wie sich diese überwinden lässt und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen, erläuterte Grimm in ihrem Vortrag.
Das Potenzialwachstum befindet sich auf historischem Tiefstand, wie die Ökonomin ausführte. Notwendig sei daher eine Steigerung der Arbeitsproduktivität. „Durch die demographische Entwicklung, nämlich den Renteneintritt der Babyboomer-Generationen, sinkt das Arbeitsvolumen deutlich, und das trägt negativ zur Entwicklung des Produktionspotenzials bei.“ Anzusetzen sei bei Investitionen und Innovationen. „Wenn die Investitionen auf dem gleichen Niveau bleiben, würden wir etwa 0,4 Prozent pro Jahr wachsen. Das ist natürlich wenig im Vergleich zu ungefähr dem dreifachen Wachstum, das wir in den 2010er-Jahren realisiert haben.“
Auch Migration könnte das Arbeitsvolumen stützen. Doch es sei unrealistisch, so stark auf Migration zu setzen, dass dies allein den Rückgang auffangen könnte. „Bei der Integration in den Arbeitsmarkt müssen wir besser werden“. Im Gutachten verweisen die Mitglieder des Sachverständigenrats auch darauf, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu steigern. Denn Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit – egal, ob sie Kinder hätten oder nicht, so Grimm. Bessere Kinderbetreuung, eine Anpassung des Ehegattensplittings und größere Wertschätzung von in Vollzeit arbeitenden Müttern sind Grimm zufolge entscheidende Faktoren, um eine höhere Zahl von Arbeitsstunden für Frauen attraktiver zu machen.
Darüber hinaus befürwortet der Sachverständigenrat eine Grundsicherungsreform, die höhere Arbeitsanreize schafft und Transferentzugsraten verringert „Das System ist sehr schwer zu durchblicken“. Notwendig ist eine Reform auch bei der Alterssicherung. Aus Sicht des Sachverständigenrats wäre hier eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die fernere Lebenserwartung angebracht, kombiniert mit der Anpassung des Nachhaltigkeitsfaktors und der Anpassung von Bestandsrenten an das Inflationsniveau statt an das Lohnniveau. Die Bestandsrenten steigen dann in normalen Zeiten nicht so stark wie die Löhne.
Dabei wendete sich Grimm gegen den Vorschlag des Sachverständigenrats, innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung umzuverteilen. Denn in der gesetzlichen Rentenversicherung seien längst nicht alle leistungsfähigen Personengruppen wie etwa Selbständige und Beamte integriert, gab Grimm zu bedenken.
Die stärkere Einbeziehung von Frauen sowie Zuwanderung reichen jedoch nicht aus, um Wachstumshemmnisse zu beseitigen. Investitionen sollten den Strukturwandel unterstützen. Dabei geschehe einiges von selbst. „Es werden immer mehr Unternehmen Arbeit durch Kapitalgüter ersetzen.“ Mikrodaten zeigen, dass Automatisierung besonders gut in der Automobilbranche, in der chemischen oder pharmazeutischen Industrie möglich sei. So würden Arbeitskräfte frei, um in anderen Branchen tätig zu sein. Hier sieht Grimm die Politik gefragt, um über entsprechende Weiterbildungen und Umschulungen neue Chancen für Arbeitnehmer zu schaffen. „Bisher gab es Weiterbildung eher innerhalb von Unternehmen.“
Hinsichtlich des technischen Fortschritts, der mit Investitionen einhergeht, sei es zudem wichtig, sich auf Bereiche zu konzentrieren, wo der Produktivitätsfortschritt höher sei, wenn investiert werde. Andererseits seien Wachstumspotenziale durch Phänomene wie Künstliche Intelligenz nur sehr schwer zu prognostizieren. Ein Blick zurück zeige, „dass die Digitalisierung gar nicht so viel Wachstum gebracht hat.“
Bei der grünen Transformation appellierte Grimm, globaler zu denken. Innerhalb der EU könne die zusätzliche Erzeugung von Wasserstoff den Strompreis sonst in die Höhe treiben. „Es gibt weltweit viel mehr Staaten, die zu günstigen Konditionen Wasserstoff produzieren und uns dann Derivate verkaufen können, als Staaten, die fossile Energieträger verkaufen.“ Diesen Wettbewerb sollte sich die deutsche Wirtschaft gemeinsam mit den europäischen Partnern zunutze machen, wenn es darum geht, energieintensive Vorprodukte zu ersetzen.