Bis Ende 2021 habe man bei der Europäischen Zentralbank (EZB) versucht, die Inflation als temporär abzutun - übrigens genauso wie die Fed, schreibt Wieland. Nun heiße es regelmäßig, die Modelle seien schuld gewesen. Sie hätten die Notenbanken in falscher Sicherheit gewogen. Wieland zufolge greift dies zu kurz. "Die Modelle der monetären Ökonomie sind immer nur so gut, wie die Fragen, die man ihnen stellt. Und für die Fragen ist die Chefetage verantwortlich."
Die Notenbank müsse eine Bandbreite von Modelle, basieren auf historischen Erfahrungen, in Betracht ziehen und ihre Entscheidungen mit Strategien abgleichen, die über unterschiedliche Modelle hinweg gute Ergebnisse ablieferten. Aus fast allen Modellen folge das sogenannte Taylor-Prinzip, wonach der Notenbankzins um mehr als 1:1 mit der Inflation oder der kurzfristigen Inflationserwartung steigen muss.
Bei der Umsetzung dieses Prinzips soll die Notenbank nach Wielands Auffassung nicht zu weit in die Zukunft schauen. "Sie sollte sich nicht an Prognosen, wo die Inflation in zwei oder drei Jahren liegen könnte, orientieren, sondern daran, wo sie jetzt steht oder in den nächsten ein, zwei Quartalen stehen dürfte."
Mit weiteren Zinsschritten in Richtung 5% sollte die EZB sicherstelllen, dass die Inflation nachhaltig zurückgeht, so Wieland. Dabei wäre es Wieland zufolge im Sinne eines Risikomanagements besser, etwas mehr als etwas weniger zu straffen."Vermutlich pausiert die EZB bei der nächsten Sitzung. Aber sie sollte spätestens danach weitere Zinserhöhungen ins Auge fassen."
Wirtschaftsdienst - Zeitschrift für Wirtschaftspolitik: "Leitzinserhöhung der EZB - kein Grund zur Entwarnung"