Volker Wieland und Helmut Siekmann fordern nach Brexit-Votum Reformen von EU und Eurozone

In Gastbeiträgen und Interviews haben sich Prof. Volker Wieland und Prof. Helmut Siekmann für Reformen der EU und insbesondere der Eurozone ausgesprochen und appellieren an die Mitgliedstaaten, die bereits beschlossenen Regeln einzuhalten.

Ein Austritt Großbritanniens wäre für die EU zwar ökonomisch verkraftbar, zeigt sich Wieland in einem Gastbeitrag für ntv.de überzeugt. Das Votum der Briten sollte jedoch seiner Einschätzung nach als Weckruf für alle Beteiligten betrachtet werden, um die EU wieder attraktiver zu machen und den Wunsch nach mehr Selbstbestimmung auf Ebene der Mitgliedstaaten ernst zu nehmen.

Wieland zufolge gilt es vor allem, die Währungsunion stabil zu machen. „Beispielsweise sollte die enge Verbindung zwischen Banken und Staaten gekappt werden, indem die Privilegierung von Staatsanleihen in der Bankenregulierung aufgehoben wird.“ So könnten marode Banken nicht länger die Staaten, deren Anleihen sie halten, mit in die Tiefe ziehen. Außerdem müsse die Nicht-Beistandsklausel wieder gestärkt werden: Ein Mitgliedstaat sollte nicht für die Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedstaates haften. „Regierungen, die sich am Markt finanzieren müssen, achten mehr darauf, dass ihre Finanzpolitik nachhaltig ist.“ Nach Auffassung Wielands sollte die EU Kommission ihrer Aufgabe nachkommen, diese Nachhaltigkeit einzufordern, statt auf neue Vorschläge für noch mehr Umverteilung und Transfers zu setzen.

In einem gemeinsamen Gastbeitrag mit drei Mitgliedern des Sachverständigenrats setzt sich Wieland für gemeinschaftliches Vorgehen bei der Sicherheits-, Asyl- und Klimpolitik ein. In Bereichen wie der Fiskal-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, in denen die "Bürger unterschiedliche Vorstellungen haben und deshalb die nationale Souveränität nicht aufgeben wollen", müssten die Mitgliedstaaten wieder mehr Verantwortung übernehmen. Das Nicht-Beistandsgebot solle zudem durch die Einführung eines staatlichen Insolvenzmechanismus gestärkt werden.

Helmut Siekmann sieht bei den Reformen Raum für „Selbstkritik und Verbesserungen“, wie er in einem Gastbeitrag in der „Börsen-Zeitung“ näher erläutert. Es sei angezeigt, „offen und - notfalls kontrovers - zu diskutieren, wie ein künftiger Bundesstaat auf europäischer Ebene aussehen könnte“. Notwendig ist seiner Meinung nach eine möglichst weitgehende Autonomie der Länder und Regionen sowie eine „kluge und prinzipienorientierte Ordnung der "föderalen" Finanzbeziehungen ("Finanzausgleich") in einer reformierten EU“.

Siekmann zufolge sollten dabei auch die Aufgaben der Europäischen Zentralbank berücksichtigt werden: „Eine Rückführung der Tätigkeit der Europäischen Zentralbank, die über nur sehr geringe demokratische Legitimation verfügt, auf eine eng verstandene Geldpolitik integrationsfeindlichen Bestrebungen einen wesentlichen Teil ihrer Wirksamkeit entziehen“. Unabdingbar sei vor allem aber eine besonders strikte Beachtung der beschlossenen Regeln, so Siekmann.

Helmut Siekman: "Wie ein europäischer Bundesstaat aussehen könnte" ("Börsen-Zeitung")

Volker Wieland: "Brexit-Votum ist ein Auftrag an die EU" ("ntv.de")

Volker Wieland mit Lars P. Feld, Christoph M. Schmidt und Isabel Schnabel, Sachverständigenrat: "Einheit in Vielfalt: Wie es mit Europa weitergehen kann" ("Ökonomenstimme", "Die Zeit")