Angesichts der Corona-Pandemie droht der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal eine größere Rezession als während der Finanzkrise 2009. Welche Auswirkungen dies haben könnte, präsentierte Prof. Volker Wieland in einem Live-Webinar am 8. April, in dem er die verschiedenen Szenarien aus dem Sondergutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vorstellte. Demnach wären ein fünfwöchiger Shutdown und eine dreiwöchige Erholungsphase noch zu überbrücken. „Aber es sieht momentan nicht so aus, als ob wir damit hinkämen“, warnte Wieland. Im Vergleich zu Ende März, als das Sondergutachten veröffentlicht wurde, habe vielmehr das Risikoszenario mit einem ausgeprägten V an Wahrscheinlichkeit gewonnen.
Die Corona-Pandemie betrifft gleichermaßen die Angebots- wie die Nachfrageseite: Während auf der einen Seite die Lieferketten unterbrochen sind und z.B. Vorleistungen aus China für chemische Erzeugnisse und im Maschinenbau erschwert werden, haben die Quarantänemaßnahme andererseits die Nachfrage nach Diensleistungen wie Reisen, Veranstaltungen oder in der Gastronomie reduziert. Klassische Konjunkturpakete sind daher nach Einschätzung von Wieland nicht angebracht. „Es geht nicht darum die Nachfrage zu stimulieren, sondern die Kapazitäten durch Kredite oder Liquiditätshilfen zu erhalten“. Falsch wäre aus seiner Sicht auch eine Vermögensabgabe, die vor allem mittelständische Unternehmen träfe. „Damit würden alle Hilfsmaßnahmen konterkariert“, warnte er. Stattdessen forderte Wieland, dringend eine Ausstiegsstrategie zu diskutieren. „Wir müssen Gesundheitsregeln etablieren, mit denen die Produktion in der Wirtschaft wieder hochgefahren werden kann“. Hilfreich könnte im Ausstiegsprozess auch eine Taskforce mit Experten aus verschiedenen Disziplinen sein.
Strikt wandte sich Wieland gegen die Forderungen nach sogenannten Corona-Bonds, gemeinsame Schuldpapiere der Eurostaaten, die mit einer gesamtschuldnerischen Haftung verbunden wären ohne Einflussmöglichkeit auf die Ausgaben. Dies könnte bei den Mitgliedstaaten noch zu viel Streit führen, warnte Wieland. Er empfahl vielmehr, auf bereits bestehende Institutionen wie dem ESM zurückzugreifen. Das Stigma, das Länder wie Italien bei einer Inanspruchnahmne von Kreditlinien beim ESM fürchteten, ließe sich ausschalten, indem etwa gleich mehrere Länder darauf zurückgreifen würden. Die Interventionen der Europäischen Zentralbank, die am 18. März das PEPP-Programm angekündigt hat, sind Wieland zufolge lediglich als temporäre Unterstützung zu bewerten. Die EZB sei in Vorleistung gegangen und könne die Risikoprämien der Länder bestenfalls über eine gewisse Zeit verringen.
Präsentation "Die gesamtwirtschaftliche Lage angesichts der Corona-Pandemie" (PDF)
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