Gastbeitrag von Volker Wieland: "Fed sollte zur Normalität zurückkehren" (n-tv)

Sinkende Arbeitslosigkeit, steigende Preise: Die Zeit ist reif für die erste Leitzinserhöhung der US-Notenbank seit neun Jahren. Fed-Chefin Yellen lässt die Finanzmärkte bisher zappeln. Das sollte schnell ein Ende haben.

Wenn an diesem Donnerstag nach der Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) der Federal Reserve die amerikanische Notenbankchefin Janet Yellen die Gründe für die Zinsentscheidung erläutern wird, blicken weltweit die Akteure an den Finanzmärkten nach Washington. Zwar hat Yellen schon angedeutet, dass eine Zinsanhebung noch in diesem Jahr erfolgen soll. Doch ob die Fed die Zinswende jetzt einläutet, im Oktober oder gar erst im Dezember, darüber herrscht weiterhin große Verunsicherung.

Der Startschuss zur Normalisierung der Geldpolitik ist angesichts der robusten Konjunktur und der Lage am US-Arbeitsmarkt längst überfällig. Die wirtschaftliche Erholung in den Vereinigten Staaten hat deutliche Fortschritte gemacht. Die Arbeitslosenquote ist in den letzten drei Jahren schneller als erwartet gefallen, zuletzt im Juli auf 5,1 Prozent. Damit liegt sie deutlich tiefer als die geschätzte "natürliche" Quote, bei der die Inflation stabil bleiben würde. Diese Quote schätzen die FOMC-Mitglieder im Durchschnitt auf 5,4 Prozent.

Die Kernrate der Inflation ohne Energie und Lebensmittelpreise liegt derzeit je nach Messzahl zwischen 1,3 Prozent und 1,8 Prozent, nicht mehr weit vom Zwei-Prozent-Ziel der Fed. Der Ölpreisrückgang hat zwar, ähnlich wie in Europa, den Gesamtindex der Verbraucherpreise vorübergehend abgebremst. Aber für nächstes Jahr wird eine Zunahme des Gesamtindex von 2 Prozent erwartet.

Der Leitzins nahe null Prozent ist zu niedrig. Normalerweise würde sich der Geldmarktzins bei diesen Arbeitsmarkt- und Inflationsdaten bei 2 bis 3 Prozent einpendeln.

Bereits seit einiger Zeit hält die Fed die Zinsen länger niedrig, als es aufgrund ihrer Reaktion auf makroökonomischen Entwicklungen in der Vergangenheit zu erwarten gewesen wäre. Frühere Zinsentscheidungen lassen sich sehr gut mit einer systematischen Reaktion auf Inflations- und Arbeitslosigkeitsprognosen der FOMC-Mitglieder erklären.

Dementsprechend hätte die Fed bereits Anfang 2014 die erste Zinserhöhung einleiten müssen. Jedoch noch im Juli dieses Jahres hatte die Fed signalisiert, dass sie die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt weiter beobachten wolle. Die Märkte sind verunsichert und können die Entscheidungen der Fed nur noch schwer einschätzen.

Auch ein Blick auf die bekannteste Zinsregel, die Taylor-Regel, signalisiert, dass eine Erhöhung des Leitzinses notwendig ist. Ursprünglich für die Geldpolitik der Fed konzipiert, kam die Taylor-Regel den Zinsentscheidungen der Fed zwischen 1988 und 1993 sehr nahe. In den Jahren vor der Finanzkrise gab sie Hinweise auf eine zu lockere Geldpolitik.

Dennoch bleibt es fraglich, ob an diesem Donnerstag wirklich der Startschuss zur Zinswende fällt. Die jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten werden möglicherweise zum Anlass genommen, die Entscheidung weiter aufzuschieben. Vertreter der Fed scheinen sich vor den Konsequenzen eines klaren geldpolitischen Signals zu fürchten. Die Fed zieht es wohl vor, ein Überschießen der Inflation in den nächsten Jahren zu riskieren. Doch wichtig wäre, dass die Fed den Märkten eine Orientierung gibt.

Im Juni wurde übrigens eine Gesetzesvorlage in den US-Kongress eingebracht, die von der Fed fordert, eine eigene geldpolitische Regel zu entwickeln und Abweichungen zu erläutern. Damit soll die Transparenz der Politik verbessert werden.

(Gastbeitrag bei n-tv.de)