Seit Beginn des Jahres hält Griechenland die Eurozone in Atem. Auch wenn die Hellenen nach der Abkehr von Reformen und dem Referendum schließlich den Bedingungen für ein drittes Hilfspaket zugestimmt haben, bestehen noch immer große Risiken bei der Umsetzung. Das Land, dessen Wirtschaftskraft nur etwa einem Prozent der Eurozone entspricht, hat nicht nur die Regeln der Eurozone auf die Probe gestellt, auch den Internationalen Währungsfonds (IWF) hat Griechenland an den Rand der Geduld geführt: Griechenland war das erste Industrieland, das beim IWF in Zahlungsverzug gekommen ist. Erst die Gefahr, den Euro zu verlieren, hat den Kompromiss mit den Partnerländern herbeigeführt.
Die politischen Spannungen rund um Griechenland haben gezeigt, wie wichtig es ist, einmal gemeinsam vereinbarte Regeln zu achten, denn bei dem Konflikt geht es nicht nur um Griechenland. In der Eurozone besteht nur dann eine verlässliche Grundlage für eine gemeinsame Währung, wenn die Balance zwischen Haftung und Kontrolle erhalten bleibt. Wenn die Mitgliedstaaten souverän über staatliche Einnahmen und Ausgaben entscheiden wollen, müssen sie ebenfalls die Verantwortung für die Tragfähigkeit der entstehenden Schulden übernehmen. Deshalb ist es notwendig, die Nicht-Beistandsklausel der EU-Verträge wieder mit Leben zu füllen.
Irland, Spanien und Portugal haben Griechenland gezeigt, wie mit Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, mehr Wettbewerb und dem Verkauf von Staatsbeteiligungen in Verbindung mit einer konsequenten Konsolidierungspolitik die wirtschaftliche Kehrtwende gelingen kann. Der Grundsatz „Kredite gegen Reformen“ hat dort Früchte getragen. Noch im Laufe des vergangenen Jahres zeichnete sich auch in Griechenland eine wirtschaftliche Stabilisierung ab, doch der Vertrauensverlust, den die neue griechische Regierung auslöste, ließ die Wirtschaft wieder auf Talfahrt gehen. Jetzt muss die Regierung beweisen, dass sie zu tiefen strukturellen Reformen bereit ist. Damit die Währungsunion nicht mit milliardenschweren Hilfen ohne Gegenleistungen zu einer Transferunion mutiert, sollte in letzter Konsequenz auch der Austritt eines Mitgliedslandes aus der Währungsunion möglich sein, wenn ein Land das Prinzip „Kredite gegen Auflagen“ partout nicht akzeptieren will.
Die Griechenlandkrise hat den Mitgliedstaaten vor Augen geführt, dass der Wandel in der Eurozone weiter vorankommen muss. Der Sachverständigenrat hat dazu das Konzept „Maastricht 2.0“ erarbeitet. Die Schaffung der Bankenunion und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) sind wichtige Bausteine in diesem Umbau. Die Einführung einer Insolvenzordnung für Staaten ist ein weiterer notwendiger Schritt, damit Staatspleiten geordnet ablaufen können und private Investoren entsprechende Risiken bereits vorher einpreisen. Die Ansteckungsgefahr zwischen Banken und Staaten besteht immer noch. Um sie zu beseitigen, dürfen Staatsanleihen nicht länger in den Bilanzen von Banken gegenüber Krediten an Unternehmen und private Haushalten privilegiert werden. Nur wenn dieser Verbund zwischen Banken und Staaten getrennt wird, gefährden Staaten bei Zahlungsschwierigkeiten nicht noch die Banken im Land. All diese Instrumente dienen dazu, das ausgehöhlte Fundament der Währungsunion neu zu festigen. Nur die konsequente Anwendung des Prinzips „Haftung und Kontrolle auf einer Ebene“ kann der Eurozone die Stabilität verleihen, die für die Zukunft dringend notwendig ist.
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