Prof. Helmut Siekmann zum OMT-Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Die Europäische Zentralbank (EZB) darf zur Euro-Rettung grundsätzlich Staatsanleihen kaufen. Das hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden. Ein entsprechendes Programm der Notenbank aus dem Jahr 2012 sei rechtmäßig, urteilten die Richter.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat heute die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf das OMT-Programm der Europäischen Zentralbank zum gezielten und selektiven Ankauf von Staatsanleihen (Outright Monetary Transactions) zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist insoweit nicht überraschend, als Generalanwalt Pedro Cruz Villalón in seinen Schlussanträgen vom 14. Januar 2015 die Einwände gegen die Zulässigkeit der gestellten Vorlagefragen zwar zurückgewiesen hat, in der Sache selbst aber die europarechtlichen Bedenken des Bundesverfassungsgerichts nicht geteilt hat. Regelmäßig ist das Gericht auch in der Vergangenheit den Anträgen des Generalanwalts gefolgt.

Wie vom Generalanwalt gefordert, räumt der EuGH damit der EZB weitgehende Entscheidungsfreiheit bei der Bestimmung ihrer Kompetenzen und Befugnisse ein. Das Primärrecht der Europäischen Union hat aber – zum Teil nach langen kontroversen Diskussionen – genau festgelegt, welche Aufgaben auf die Union übertragen werden und welche bei den Mitgliedstaaten verbleiben sollen. Diese Austarierung der Zuständigkeitsgrenzen wird weitgehend sinnlos, wenn die betroffenen Einrichtungen selbst festlegen können, wo ihre Kompetenzen und Befugnisse enden. Das Bundesverfassungsgericht hatte dagegen mit gut nachvollziehbaren Gründen OMT als Maßnahme der Wirtschaftspolitik und nicht der Geldpolitik beurteilt, die außerhalb der Kompetenzen der EZB liege. Zudem handele es sich – mittelbar – um eine verbotene Kreditgewährung der Notenbank an die Mitgliedstaaten. Auch hatte es überzeugend dargelegt, dass es für beides keine Rechtfertigung durch eine angebliche Störung des „geldpolitischen Transmissionsmechanismus“ gebe.

Die praktische Bedeutung der Entscheidung ist dadurch nicht unwesentlich reduziert, dass die EZB das OMT-Ankaufprogramm nicht verwirklicht hat. Stattdessen hat sie seit Beginn dieses Jahres mit der Umsetzung eines Ankaufsprogramms begonnen, das anders konzipiert ist und teilweise den Bedenken des Bundesverfassungsgerichts Rechnung trägt. Aber auch gegen dieses neue Programm wird bereits gerichtlich vorgegangen. Zumindest werden aber die Grenzen verdeutlicht, bis zu der die Notenbank gehen darf.

Helmut Siekmann
Professor für Geld-, Währungs- und Notenbankrecht, Institute for Monetary and Financial Stability (IMFS)