Volker Wieland: Pläne der großen Koalition gefährden Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums

Die Koalitionsvereinbarungen zwischen CDU, CSU und SPD zur Steuerpolitik, zum Rentensystem und zum Arbeitsmarkt gefährden die Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums in Deutschland. Zu dieser Einschätzung kommt Prof. Volker Wieland, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Geschäftsführender Direktor des IMFS, in einer Analyse der Beschlüsse aus den Sondierungsgesprächen für das Wirtschaftspolitische Zentrum (WPZ) der Universität Wien und St. Gallen. Die Analyse basiert auf dem Jahresgutachten des Sachverständigenrats.

Die finanzpolitische Lage sei derzeit sehr gut, bleibe aber nicht auf Dauer so, warnt Wieland. Die Koalitionspartner sollten den verfügbaren Spielraum daher für Maßnahmen nutzen, die das Potenzialwachstum erhöhen. Ansetzen sollten CDU, CSU und SPD vor allem bei der kalten Progression: „Zuallererst sollte die kommende Regierung den Haushaltsüberschuss nutzen, um den Steuerzahlern etwas zurückzugeben aus der schleichenden Steuererhöhung“. Die angekündigten Entlastungen beim Solidaritätszuschlag sind Wieland zufolge nicht ausreichend; für rund zehn Prozent der Steuerzahler werde es außerdem keine Entlastung geben.

Die geplante Abschaffung der Abgeltungsteuer sieht Wieland ebenfalls kritisch. Auf Unternehmensseite würden Anreize für Investitionen reduziert. „Zudem werden Sparer genau dann vom Staat zusätzlich belastet, wenn nach Jahren ohne Zinserträge in Zukunft wieder mit einem Zinsanstieg zu rechnen ist“. Die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung gehe zwar in die richtige Richtung, könnte aber nach Berechnungen des Sachverständigenrats noch deutlicher ausfallen.

Als „gefährlich für die Nachhaltigkeit der deutschen Volkswirtschaft“ bewertet Wieland die Pläne zum Rentensystem, die zwangsläufig zu steigenden Steuerzuschüssen führten. Dies belaste die jungen Generationen. Stattdessen sei eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auch nach 2030 notwendig. Von Maßnahmen wie einer Erhöhung der Mütterrente und einer Grundrente rät der Sachverständigenrat in seinem Gutachten explizit ab.

Innovationshemmende Regulierungen bremsen nach Einschätzung des Sachverständigenrats die Entwicklung zur digitalen Arbeitswelt der Zukunft. Damit sich Unternehmen im digitalen Wandel erfolgreich behaupten könnten, müsse die neue Regierung auch eine höhere Flexibilität am Arbeitsmarkt ermöglichen. Das Arbeitszeitgesetz sollte daher reformiert werden, „um es an die Realitäten der digitalen Arbeitswelt anzupassen“.

Während CDU, CSU und SPD die Europäische Union (EU) in ihrem Sondierungspapier zwar an die erste Stelle setzen, ist Wieland jedoch skeptisch angesichts der Art und Weise, wie die Koalitionspartner die EU erneuern wollen. Er fürchtet „eine Kehrtwende in der deutschen Position zur Währungsunion“: Sollte der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) zu einem vom Europäischen Parlament kontrollierten Währungsfonds ausgebaut werden, verlöre der Deutsche Bundestag sein Vetorecht. Die Entscheidung über Auflagen für Kredite an Mitgliedstaaten läge bei der Mehrheit im Europäischen Parlament. Daraus könnten sich Anreize für Mitgliedstaaten ergeben, nicht nachhaltig zu wirtschaften, warnt Wieland.

Volker Wieland: "Für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik"
Wirtschaftspolitisches Zentrum (WPZ), Kommentar Nr. 19

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