Das Heft-Special "Der Kern des Übels" lenkt den Fokus auf eine Schwachstelle im Finanzsystem: "Geldhäuser müssen gemäß Kreditrisikostandardansatz für in nationaler Währung ausgestellte Staatsanleihen kein Risikogewicht ansetzen. Sie gelten als risikolos", heißt es. Letztlich ermögliche die Nullgewichtung eine uneingeschränkte Kreditvergabe, ohne dass eigenes Haftungskapital vorgehalten werden müsse.
Wieland zufolge sollte das Privileg der Nullgewichtung der Staatsschulden in der Eigenkapitalunterlegung für Banken abgeschafft werden. Das Hindernis: "Der Regulierer, das heißt die Staaten, würden ihre eigenen Finanzierungskosten erhöhen", so Wieland im "Bankmagazin". Schon der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dem Wieland von März 2013 bis April 2022 angehörte, habe über viele Jahre seit der Finanz- und Schuldenkrise, insbesondere der europäischen Staatsschuldenkrise (2010-13,) gefordert, dass die Bankenregulierung geändert werden müsse, und dass Banken für öffentliche Kredite und Staatsanleihenbestände Eigenkapital vorhalten sollten.
Problematisch ist die Nullgewichtung von Staatsanleihen mit Blick auf die Finanzstabilität. "Die enge Verflechtung von Staaten und Banken war ein zentraler Grund dafür, dass es zur Staatschuldenkrise kommen konnte", erläutert Wieland. Zum einen mussten die Staaten einspringen, um Banken zu retten. Eine Bankenkrise kann also zu einer Staatschuldenkrise führen wie etwa in Irland, das aufgrund seiner Bankenhilfen praktisch insolvent wurde und umfangreiche Unterstützung von den Mitgliedstaaten benötigte. Zum anderen hatten viele Banken gerade in hochverschuldeten Staaten wie Italien, aber auch Spanien, Portugal und Griechenland, Kredite an die öffentliche Hand und umfangreiche Bestände an Staatsanleihen auf ihrer Bilanz. Ein wichtiges Ziel ist daher, dafür zu sorgen dass Forderungen an Staaten nicht konzentriert von inländischen Banken gehalten werden, sondern von vielen inländischen und ausländischen Investoren.
Bei der Einführung neuer Vorgaben zur Risikounterlegung mit Eigenkapital erachtet Wieland jedoch eine ausreichend lange Übergangszeit als notwendig, "in der die Banken die Forderungen umschichten könnten und insbesondere Forderungen gegenüber dem Sitzland abbauen".
Bankmagazin: "Der Kern des Übels" (Ausgabe 7/8 2023)