Noch gilt die Kontaktsperre und mehr als 725.000 Unternehmen haben Kurzarbeit angemeldet, doch viele Geschäfte dürfen bald wieder öffnen und die ersten Schüler bereiten sich auf ihre Rückkehr in ihre Klassenzimmer vor. Die Beschränkungen in Wirtschaft und Gesellschaft durch die Coronakrise haben Deutschland in weiten Teilen lahmgelegt. Wie eine Strategie für eine schrittweise Öffnung aussehen könnte, erläuterte Veronika Grimm von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in einem IMFS Policy Webinar. Flexibilität sei dabei ein entscheidender Faktor. „Wenn die Infektionszahlen aus dem Ruder laufen, hat man nicht zwei oder drei Wochen Zeit, um darauf zu reagieren“, sagte die Professorin für Wirtschaftstheorie – seit April vorgeschlagenes Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – , die in einer interdisziplinären vierzehnköpfigen Forschergruppe ein Positionspapier für eine risikoadäquate Ausstiegsstrategie erarbeitet hat.
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Im gegenwärtigen Stillstand durch die Corona-Pandemie seien verschiedene Dimensionen von Bedeutung: der Druck auf die Wirtschaft, soziale Härten und medizinische Folgen. Die Frage, wo wann und wie wieder gearbeitet werden kann, sei deshalb multidisziplinär zu beantworten. Grimm setzt sich daher für die Einführung von Taskforces ein, in denen Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen auf Länderebene und national zusammenarbeiten. Solche Taskforces müssten etwa die Auswirkungen von Lockerungen beobachten und immer wieder neu überlegen, welche Reaktion angebracht sei. Eine Empfehlung einer Taskforce erleichtere es auch Entscheidungsträgern, ihr Handeln in der Öffentlichkeit zu begründen. Regional unterschiedliche Strategien sind nach Einschätzung von Grimm wegen der unterschiedlichen Infiziertenzahlen oder dem Angebot an Intensivbetten angemessen. „Wichtig aber wären Regeln, die sich an Indikatoren orientieren, um die Unsicherheit zu minimieren“, betonte sie.
Auch aus Unternehmenssicht seien vor allem klare Rahmenbedingungen und ein gewisser Vorlauf notwendig. „Man kann umso mehr lockern, je weiter die vorbereitenden Maßnahmen fortgeschritten sind“, sagte Grimm. Entscheidende Kriterien seien dabei neben dem Ansteckungsrisiko und den Risikogruppen die Bedeutung der Öffnung eines Bereichs für Wirtschaft und Gesellschaft und die Umsetzungsmöglichkeit von Schutzmaßnahmen. Sehr viel hänge von der Zahl derjenigen ab, die asymptomatisch infiziert seien, also keine Anzeichen zeigen, aber die Coronaviren weitergeben können.
Ein wichtiges Instrument ist Grimm zufolge die schnellstmögliche Digitalisierung des Gesundheitswesens. In den Gesundheitsämtern werde noch zum großen Teil per Telefon und Fax gearbeitet, was die Informationsabläufe unnötig verzögere. Auch app-basierter Konzepte zum Infektionsschutz könnten einen großen Schritt darstellen, wenn sie von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert würden. Ein langer, kompletter Stillstand, auch um weitere Infektionswellen zu vermeiden, sei derzeit nicht absehbar. „Wir müssen also noch sehr lange mit Schutzmaßnahmen leben und so schnell wie möglich mehr über das Virus lernen“, folgert Grimm.
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