Volker Wieland rechnet nach neuer EZB-Strategie noch lange mit expansiver Geldpolitik (Börsen-Zeitung, FAZ, NZZ, dpa,Reuters)

Prof. Volker Wieland sieht die neue Strategie der Europäischen Zentralbank (EZB) im Wesentlichen als eine Schärfung der bisherigen Strategie. Gleichzeitig wertet er die Neuausrichtung als einen Beleg für eine weiterhin expansive Geldpolitik, wie er in einer Stellungnahme gegenüber verschiedenen Medien darlegte.

Als Ergebnis der Strategieüberprüfung werde die EZB künftig ein mittelfristiges Inflationziel von zwei Prozent anstreben statt wie bislang von "unter, aber nahe zwei Prozent", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Dieses Inflationsziel sei symmetrisch, Abweichungen nach unten seien ebenso wenig erwünscht wie nach oben. Nach Einschätzung von Wieland ist es gut, dass das Inflationsziel "nicht massiv angehoben wurde auf drei oder vier Prozent, wie das manche vorgeschlagen haben. Das wäre meines Erachtens ein Fehler gewesen".

"Die Betonung der Flexibilität und der Bereitschaft ein temporäres, moderates Überschießen übers Ziel zu tolerieren, bedeutet praktisch, dass die EZB ihre Politik noch sehr lange sehr expansiv halten wird, also noch lange Wertpapiere zukaufen wird und die negativen Notenbankzinsen beibehalten wird", sagte er im Gespräch mit der "Passauer Neuen Presse".

Als Messgröße dafür bestätigte der EZB-Rat den Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Berücksichtigt werden soll künftig auch selbstgenutztes Wohneigentum. Hier hätte sich Wieland gewünscht, dass der EZB-Rat darüber hinaus noch breitere Inflationsmaße wie den BIP-Deflator in den Blick nimmt.

Insgesamt ist die neue Strategie laut Wielands Einschätzung hauptsächlich eine Schärfung der bisherigen Strategie mit einem starken Fokus auf das Umfeld mit sehr niedrigen Zinsen. "Dabei betont die EZB, dass primär Faktoren außerhalb ihrer Kontrolle das niedrige Niveau an realen Zinsen, also Nominalzins minus Inflationserwartung, verursachen, also schwaches Trendwachstum, niedrige Produktivität und demographische Faktoren."

Eine große Rolle soll zukünftig der Klimaschutz einnehmen. In diesem Punkt zeigte sich Wieland im Gespräch mit der FAZ skeptisch: "Es gibt keinen empirischen Nachweis dafür, dass Unternehmensanleihekäufe der EZB die Finanzierungskonditionen für unterschiedliche Investitionsprojekte so beeinflussen könnten, dass der Klimawandel gebremst würde."

Was Wieland in der neuen Strategie vermisst, ist eine Analyse, ob die lockere Geldpolitik eine Rolle beim Aufbau der Finanzstabilitätsrisiken vor der Finanzkrise gespielt hat, wie die Nachrichtenagentur Reuters hervorhebt.

 

 

dpa/Süddeutsche Zeitung: "Europas Währungshüter werden flexibler beim Thema Inflation"
Reuters: "EZB überarbeitet Strategie - mehr Spielraum für die Inflation"
Börsen-Zeitung: "EZB schafft sich mehr Spielraum bei Inflation" (€)
FAZ: "Eine grüne Strategie für Europas Notenbank" (€)
Handelsblatt: "'Zwei Prozent ist keine Obergrenze': Das ist die neue Strategie von EZB-Chefin Lagarde" (€)
NZZ: "Die EZB strebt neu ein symmetrisches Zwei-Prozent-Inflationsziel an"
Passauer Neue Presse: "Wirtschaftsweiser Wieland rechnet mit keiner Zinswende" (€)